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  Kultur * 2009

Konzertberichte, Plattenkritiken & Buchbesprechungen

10.12.2009: Tomatito, Luzern, KKL
26.11.2009: Endo Anaconda im Dorfgeschwätz-Gespräch
13.11.2009: Grace Jones, Basel, AVO-Session
08.11.2009: Tom Jones / Stefanie Heinzmann, Basel AVO-Session
12.11.2009: George Clinton and Parliament Funkadelic, Basel, AVO-Session
16.10.2009: Stiller Has, Haagen, LÖ-Haagen
23.07.2009: Ich & Ich, Lörrach, Stimmen
11.07.2009: Lambchop / Calexico, Lörrach, Stimmen
11.07.2009: Gisbert zu Knyphausen / Muff Potter / Kilians / Why? / Tomte / Element of Crime, Freiburg, ZMF
09.07.2009: Buena Vista Social Club, Freiburg, ZMF
06.07.2009: Goran Bregovic and the Wedding and Funeral Orchestra, Freiburg, ZMF
04.07.2009: Steely Dan, Montreux, MJF
03.07.2009: UB40, Freiburg, ZMF
02.07.2009: Deichkind, Freiburg ZMF
01.07.2009: Helge Schneider / Patent Ochsner, Freiburg, ZMF
29.06.2009: Florian Schroeder, Freiburg, ZMF
26.06.2009: Joss Stone, Freiburg. ZMF
21.05.2009: Joe Bonamassa, Zürich, Kaufleuten
17.04.2009: David Byrnes, Zürich, Volkshaus
08.04.2009: Earth Wind & Fire Experience, Zürich, Kaufleuten
30.03.2009: Popa Chubby, Z7, Pratteln
13.03.2009: Der Mann hinter Florian Schröder
18.03.2009: Patent Ochsner, Basel, Volkshaus

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10.12.2009, 19.30 Uhr, Konzertsaal KKL, Luzern:
Eine Offenbarung in Sachen Flamenco
Tomatito berührt die Herzen seiner Zuhörer

Erstmals war das Dorfgeschwätz zu Gast im 1998 eröffneten Konzertsaal des KKL in Luzern. Der in Form eines Schiffsrumpfes gebaute Saal ist weltweit bekannt für seine exzellente Akustik.
Mit dem Tomatito Sextett beehrte eine der absoluten Topformationen des Flamencos das edle Haus. Zur grossen überraschung war die Hütte nur gerade halbvoll, als die Musiker pünktlich auf der Bühne erschienen. Trotzdem sollte es ein Konzert werden, das wohl das Attribut "magisch" verdient. Anders als Gerado Nunez, den wir 2008 beim Jazznojazz-Festival hören durften, lässt Tomatito noch mehr Jazz und Latino Elemente in seine Musik einfliessen, ist weniger Techniker, mehr Virtuose. Von den ersten Tönen an war das Publikum gefesselt ob der unglaublichen Bandbreite der Musiker. Ob solo, im Duett mit dem zweiten Gitarristen El Cristi, oder unterstützt durch die beiden Sänger; Tomatito verursachte immer wieder Gänsehaut. Er spielte schier unfassbare, melodiöse Läufe, streute rhythmische Breaks ein, seine linke Hand war unentwegt auf dem ganzen Griffbrett unterwegs.

Weltklasse, einfach Weltklasse: Tomatito.
Weltklasse, einfach Weltklasse: Tomatito.

Erinnerte bei Gerado Nunez der Gesang immer an Asterix bei den Spaniern (Ay ay ay, ich bin ja sooo unglücklich), so trafen Antonio Zuńiga und Simon Roman mitten in die Herzen. Während der Stücke war im Zuschauerraum kein Mucks zu hören, danach brandete jeweils frenetischer Applaus auf. Das Tomatito Sextett steigerte die Emotionen von Stück zu Stück, steuerte geschickt auf den Höhepunkt zu.
José Maya, bis dahin als Linksaussen der Truppe ausschliesslich mit rhythmischem Klatschen beschäftigt erhob sich, warf den Kopf in den Nacken und machte ein paar erste Tanzschritte. Und dann setzte das Sextett dem Konzert die Krone auf:
Kontinuierlich steigerte sich das Tempo der Gitarren und die Schrittkombinationen des Tänzers, die Rufe der Sänger wurden lauter, intensiver. Die Combo spielte sich in einen Rausch aus Rhythmus, die wirbelnden Beine von José Maya waren kaum noch zu sehen.

Danke für diesen Abend! Das Tomatito Sextett.
Danke für diesen Abend! Das Tomatito Sextett.

In den Gesichtern der Sitznachbarn stand ungläubiges Staunen geschrieben. Noch mal erhöhte sich das Tempo und der Rhythmus, bis die Akteure unisono in denselben Takt verfielen. Diesen hielten sie kurz, dann war schlagartig Ruhe. Aber nur eine Sekunde, dann sprangen die Zuhörer aus ihren Sitzen, tobten und spendeten verdientermassen "Standing Ovations".
Tomatito gab noch eine Zugabe, viel zu früh wurden dann die Lichter eingeschaltet. Trotzdem sah man glückliche Gesichter überall. Beim Verlassen des Konzertsaals traf ich auf die charmante Angestellte des KKL, mit der ich mich vor dem Konzert schon kurz unterhalten hatte. "Ich verstehe nicht viel von Flamenco, aber ich glaube das sind wirklich grosse Künstler", sagte sie.
Und dem möchte ich nichts mehr hinzufügen.
The Bishop

Das Tomatito Sextett:
Tomatito, Gitarre
El Cristi, Gitarre
Morenito de Illora, Gesang
Simon Roman, Gesang
Lucky Losada, Perkussion
José Maya, Tanz


Die Redaktion empfiehlt

Der 1958 geborene Flamenco-Gitarrist José Fernández Torres, besser bekannt unter seinem Künstlernamen "Tomatito", beehrt mit seinem Sextet am Donnerstag, 10. Dezember 2009 um 19:30 Uhr das KKL in Luzern. Der Ausnahmegitarrist zählt neben Paco de Lucia zu den bekanntesten Vertretern ihrer Zunft.
Wir lassen es uns nicht nehmen das Konzert des Ausnahmegitarristen mit seiner Combo für Sie zu besuchen. Kommen Sie doch einfach mit!

Der Dorfgeschwätz-Veranstaltungskalender



13.11.2009, Festsaal der Messe Basel:
Grace Jones bietet eine Show wie vom Reißbrett
Familienbande an der AVO Session

AVO-Session, Basel Einen Tag nach dem denkwürdigen George Clinton Auftritt am Donnerstag, folgte am Freitagabend der nächster Einsatz an der AVO Session. Schon beim Betreten des Saales war klar, dass Grace Jones ein völlig anderes Publikum anspricht. War es am Donnerstag ein Konzert für Musikfreunde und Freaks, so zog Grace Jones eher die Reichen und Schönen an.
Viele ältere Herren, oft mit "Gilbert Gress Gedächtnis Frisuren" oder noch schlimmeren, führten stolz wie Oskar, ihre offensichtlich frisch getunten und blutjungen Freundinnen vor. Auch wurde mehr an Cüpli genippt, als aus der Bierflasche getrunken.
Pünktlich um 20.00 Uhr betrat Präsident Matthias Müller die Bühne um die beiden Bands anzukünden. Er sagte, es käme selten vor, dass ein Topact die eigene Vorband mitbringe. Heute sei das der Fall. "Die müssen wirklich gut sein", dachte wohl so mancher. Bis Matthias Müller auflöste; der Sänger der Vorgruppe Trybez, Paolo Goude, sei der Sohn von Grace Jones. Die Lacher hatte er jedenfalls auf seiner Seite. Sohnemann bot dann 45 Minuten eine Mischung aus Rap und Latin Sound; nicht wirklich übel, aber alles schon mal irgendwo gehört. In Mamas Band durfte er dann übrigens noch ein wenig mittrommeln.
Endlich wieder eine Setlist ;) Nach der obligatorischen Pause erlosch das Licht, dann tat sich lange nichts. Das Publikum saß nun im Dunkeln und wurde unruhig, aber sicher nicht im erhofften Ausmass. Nachdem nach sechs Minuten immer noch kein Pfeifen, Gestampfe oder rhythmisches Klatschen aufkam, hatte Grace Jones ein Einsehen und begann ihren Set mit dem Titelsong ihres 81`er Albums, dem von Iggy Pop geschriebenen "Nightclubbing". Vom ersten Takt an war der Sound glasklar, jedes Instrument hatte seinen Platz im Raum, war deutlich zu hören, ebenso die unverwechselbare Stimme der Grace Jones. Das improvisieren an diesem Abend nicht angesagt war, stellte sich allerdings rasch heraus. Die wirklich gute Band intonierte die Stücke wie sie auf den CDs zu hören sind. Gegen Ende jedes Songs verliess Grace Jones die Bühne auf der linken Seite, sang die letzten Töne aus dem Off, um zum nächsten Stück umgezogen und mit neuer Kopfbedeckung wieder zu erscheinen. Dabei führte sie alle Modelle abgefahrener Hüte vor, die man von ihr kennt. Das Licht war grosse Klasse, mehr als einmal versetzen die Effekte in Erstaunen. Der Sound blieb brillant, wirkte mit der Zeit aber fast ein wenig steril. Zu "Pull Up To The Bumper" mischte sich die Sängerin dann gar unter das Volk und holte eine Menge Leute auf die Bühne, wo diese dann kurze Zeit abzappeln durften. Dann war erstmal Schluss, die Band verschwand, die Fans wurden wieder zurück in den Saal verfrachtet.
Zugaben wurden gefordert und nach kurzer Zeit kamen Grace Jones und ihre Musiker für drei weitere Songs zurück. Bei "Love Is The Drug", einem Stück von Roxy Music von 1975, durfte die Band wohl zum ersten Mal zeigen, was sie wirklich drauf hat. Für einmal hörte sich nicht jeder Ton vorgegeben an. Vor allem Gitarrist Adam Green genoss sichtlich sein abgefahrenes Solo. Zu "Slave To The Rhythm" liess Grace Jones durchgängig einen Hola Hoop Reifen um ihre Hüften kreisen und "Hurricane" groovte wie Sau, sorgte noch einmal für Begeisterung. Grace Jones bot ein erstklassiges Konzert. Keine Frage! Aber weniger Perfektion wäre mit Sicherheit mehr gewesen.
TheBishop

Grace Jones: Lead Vocals
Adam Green: Guitar
Malcolm Joseph: Bass
Charles Stewart: Keyboard
Paulo Goude: Percussion
Hannah Khemoh: Backing Vocals
Lea Gordon: Backing Vocals
Andrew Mclean: Drums
Don-E Mclean: Keyboards / Percussion

Zuschauer: 1500 (ausverkauft)

AVO-Session, Basel



08.11.2009, Festsaal der Messe Basel
Tiger and Tower Power in der Raucherlounge
Stefanie Heinzmann bereitet Basel für Tom Jones vor

AVO-Session, Basel Tom Jones werde ich wohl immer mit meiner dritten Mitbewohnerin verbinden. Erst mit seinem Album "Reload" lernte ich Tom Jones musikalisch kennen. Denn meine Mitbewohnerin tanzte mit Vorliebe zu "Sex-Bomb" durch die Wohnung. Dies tat sie auch bei der Bewerbung für das freie Zimmer. Mit zum Lied passenden Eigenschaften ausgestattet, waren mein Mitbewohner und ich schnell einig ihr das Zimmer zu geben. Leider war der soziale Charakter der anschließenden Mitbewohnerin noch nicht so entwickelt wie die Physiologie der Dame. Aber das ist eine andere Geschichte.

Vor "Reload" war Tom Jones für mich irgend so ein Playboy aus der Urzeit, welcher auch Musik macht. Die Idee als fast 60-jähriger Musiker im Jahre 1999 bekannte Titel von jüngeren Musikern neu aufzulegen, stieß mir erst auf. Aber die Qualität der Produktion machte es zu einer DER Sommerplatten im Jahr 1999. Vielleicht auch wegen den Tanzeinlagen...

Mit gemischten Gefühlen bin ich dann zehn Jahre später zu dem Konzert gegangen. Erinnere ich mich doch heute noch mit Schrecken an ein Konzert von einem anderen Urgestein: Eric Burdon. Dieser etwas gleichaltrige Musiker war bei meinem letzten Konzertbesuch so randvoll, dass er von einem Roadie auf der Bühne aufgebaut werden musste. Er realisierte erst wo er war, als ihm die Gitarre in die Hand gedrückt wurde.

Aber die hochgerühmte Umgebung und Qualität der AVO-Session ließen die starke Hoffnung auf höhere Qualität zu. Zudem gab es ja auch noch die Aussicht auf eine junge Röhre namens Stefanie Heinzmann, wenn auch recht unbekannt.

Die erstaunliche Atmosphäre der AVO-Session empfängt dann zum Konzert und gibt die neunköpfige "Tower of Power" als erste Band des Abends zum Besten. Geschweige denn ist dies eine Vorgruppe, sondern nur gleichlang vor Tom Jones angesetzt. Mit fünf Leuten am Blech, und zusätzlich der normalen Popbesetzung aus Schlagzeug, Keyboard, Bass, Gitarre und Gesang schafft es eine größere Truppe auf die Bühne. Die Musikqualität der Anlage ist in Schweizer Perfektion und die langjährige Erfahrung der Musiker bedient die Technik mit Vergnügen. Gibt es doch Tower of Power schon seit 31 Jahren. Somit haben die Bandmitglieder meist zwanzig Kilo zuviel auf der Waage und entweder Glatze oder graue Haare. Alle bis auf den deutlich jüngeren Sänger, welcher sein Volumen nur in der Stimme hat.

Ab hier bitte keine Kamera mehr...
Ab hier bitte keine Kamera mehr...

Auf die schwarze Stimme war die Band auch voll abgestimmt. Zum siebten Lied kommt dann Stefanie Heinzmann auch auf die Bühne. Mit dem aufgeregten-Mädchen-von-Nebenan-Auftreten erscheint sie und kann leider stimmlich auch nicht das Wasser reichen. Eher ein Höflichkeitsauftritt. Nach einem Lied ist dieser dann auch vorbei. War wohl eine Chance für sie, auch um mal in der Titelzeile der AVO-Session zu stehen.

Erstaunliche vier Kameras vom Schweizer Fernsehen begleiten das Konzert und erzeugen eine mediale Präsenz über zwei projizierte Leinwände. Damit entsteht eine Dynamik aber auch Hektik auf dem ablenkenden Bildschirm. So ist die Bühne, so nicht. Typische subjektive Medienwahrnehmung.

Dann geht es wieder zum Easy Listening Jazz der Krafttürme zurück. Auch wenn die Band nach Eigenaussage Soul spielt. Dies beweißt sie dann später bei drei James Brown Liedern und einer starken Stimme bei "Miss Jones". Damit werden die sitzenden Zuhörer nach der zehnten Aufforderung aufzustehen und mitzutanzen doch tatsächlich vom Stuhl geholt. Glückwunsch. Damit schließt dann nach einer Zugabe zum elften Stück der erste Teil des Doppelkonzerts. Und die Sakkoträger und Hochsteckfrisuren begeben sich zur Lounge.


... höchst konspirativ fotografiert: so sieht es Drinnen aus.
... höchst konspirativ fotografiert: so sieht es Drinnen aus.

Zum zweiten Teil ist das Publikum auch präzise pünktlich und der Meister lässt dann schon fast albern lange auf sich warten. Die Spannung ist groß, ob er sich noch immer wie früher die Hosentaschen aus seinen Hosen heraustrennen lässt, oder nicht. Wer weiß vielleicht möchte er ja mit 69 Jahren nicht mehr so enge Hosen tragen. Dann kommt zur Begeisterung Tom Jones und Band. Gleich gibt es Kracher wie "Sugar Daddy", "Give a little love" die mit der nach wie vor genialen Stimme direkt Gänsehaut erzeugt. Schnell überzeugt er und stellt im Fluge eine unheimlich starke Bühnenpräsenz her. Sein James Bond Thema kommt natürlich und eigentlich ist jedes Lied bekannt. Er wird mit dreimal Blech, Schlagzeug, zweimal weiblichem Background, Schlagzeug, Bass, Keyboard und Gitarre verstärkt. Das ist in der Summe dann ganz schön laut. Für viele ist dann bestimmt "Deliah" ein persönlicher Höhepunkt und die ersten Walzerpirouetten werden ganz ohne Aufforderung gedreht.
Er hat das Publikum im Griff. Nach kurzer Zeit geht es zum Album "Reload" was ein Duett nach dem anderen zur Folge hat. Er spielt wirklich alle seine Klassiker, wie "Burning down the house" und scheut auch nicht davor zurück Klassiker anderer Leute wie "Hard to handle" von Otis Redding oder "You can leave your hat on" von Joe Cocker zu interpretieren.
Nach einigen exzellenten Liedern in bester Tonqualität fällt Tom Jones dann in eine Schlager und Chansonphase. "I'll never fall in love again" und weitere drei Schnulzenlieder wie "Green green grass of home" lassen die Besucher kakophonische Zustände positiver wie negativer Art fallen. Doch mit "Pussycat" und "She's a lady" zieht die Gangart bald immer härter an. In genialer Art und Weise schafft Tom Jones es, seine Lieder nun in einer schon fast Techno-artigen Weise zu präsentieren. Das Publikum scheint mit Tanzgift infiziert zu sein. Wie eine sehr gut gekleidete Kaffeefahrt in bester Laune ist jetzt die AVO-Session. Und weibliche Fans schwingen Glasfaserlampen vor der Bühne und versuchen tanzenderweise einen Blick ihres Idols zu erheischen. Niemand hätte gedacht das Drum'n'Bass'Jones heute Abend seine Altersgenossen mal schnell ins neue Jahrtausend entführt. Das ist echt eine anzuerkennende Leistung des Meisters. Da wirkt das ausklingende "Sex Bomb" schon fast obligatorisch, schreibt aber neue visuelle Eindrücke ins Gedächtnis. Danke, Tom.
Dr. Pretender #1

Zuschauer: 1500 (ausverkauft)
Spieldauer: 3,5 Stunden

Heimatseite von Stefanie Heinzmann
Homepage von Tom Jones
AVO-Session, Basel



12.11.2009, Festsaal der Messe Basel:
George Clinton oder: Das geordnete Chaos
So was hat die AVO-Session noch nicht erlebt!

AVO-Session, Basel George Clinton, Gründer und Mastermind der legendären Bands Parliament und Funkadelic gab sich am Donnerstagabend an der AVO Session die Ehre. Ein ganz besonderer Leckerbissen; ist der Erfinder des P-Funk doch selten in Europa zu hören. (Die Experten sind sich übrigens bis heute nicht einig, was P-Funk überhaupt bedeutet; einig sind sie sich lediglich darin, dass George Clinton der Erfinder war.)
Elijah & Dubby Conquerros, die Vorband aus Zürich, mühten sich 45 Minuten, mit überschaubarem Erfolg, für Stimmung zu sorgen. Wer wegen dem "Godfather of Funk" gekommen war, dem stand der Sinn offensichtlich nicht nach Dub Reggae mit Zürideutschen Texten.
Um 21.15 Uhr begann dann ein denkwürdiges Konzert. Was sich in den folgenden knapp zwei Stunden abspielte, ist schwer zu beschreiben. Eine solche Bande von Freaks hat man auf der Bühne im Festsaal der Mustermesse mit Sicherheit noch nicht gesehen. Ob silbriger Raumanzug, riesige Hüte, goldene Hotpants, normale Rapperklamotten, Plateauschuhe oder ein Eisbärenfell: die Musikanten und Sängerinnen boten mit ihren Klamotten ein Fest fürs Auge. George ClintonDie Krönung war der Gitarrist Garry Marshall Shider. Zeitweise trug er nur eine Windel und seinen Backstage-Ausweis, den allerdings um den Hals.
Der Sound war von Beginn an fett und druckvoll, beim zweiten Stück riss es das Publikum erstmals förmlich aus den Sitzen. Die Aussage "zweites Stück" ist mit Vorsicht zu geniessen, die Band agierte ohne Setlist und liess sich offensichtlich treiben. Es herrschte ein Kommen und Gehen auf der Bühne, die Anzahl der agierenden schwankte zwischen acht und siebzehn. Der Meister hielt sich meist im Hintergrund und genoss offensichtlich das Chaos um sich herum.
Immer wieder gab es frenetischen Beifall auf offener Szene, die Band entwickelte einen unglaublichen Drive. Mehrstimmiger Scat-Gesang und vor allem die oft von vier (!) Gitarren in den Saal gepeitschten Rhythmen begeisterten.
Wie Anfangs erwähnt, es ist schwer diese akustische und optische Orgie in Worte zu fassen. Das Publikum jedenfalls war hin und weg, stellenweise völlig aus dem Häuschen. Es war laut, es war genial, es war abgefahren. Wer an diesem Donnerstag nicht im Festsaal war, der hat eines der besten Konzerte in der Geschichte der AVO Session verpasst.
TheBishop

George Clinton and Parliament Funkadelic waren:
George Edward Clinton: Music Director, Lead Vocals
Bennie Ray Cowan: Trumpet
Lige Curry: Bass Guitar, Vocals
Wayne Michael Hampton: Lead Guitar
Paul Hill: Vocals
Joel Nathaniel Johnson: Keyboards, Vocals
Robert Johnson: Vocals
Tracy Lewis: Rapper
Dewayne Stephen Mc Knight: Lead Guitar
Carlos MC Murray: Dancer
Cardell Mosson: Guitar
William Nelson jr: Bass Guitar
Michael Payne Sax: Vocals
Garry Marshall Shider: Vocals, Rhythm Guitar
Scott Taylor: Horns
Gregory Allan Thomas: Sax, Vocals
Frank Clifford Waddy jr.: Drums
Belita Woods: Vocals
Ronald La Rocque Wright: Drums
Steve Royd: Vocals

AVO-Session, Basel



16.10.2009, Alte Halle, Haagen:
Zwanzig Jahre Stiller Has
Berner Kult im Wandel der Zeit

"Zum einen bin ich stolz, zum anderen muss ich lächeln, wenn ich sehe, wie sehr wir uns verändert haben. Das zeigt mir aber, dass wir nicht stehen geblieben sind", sagte Endo Anaconda unlängst in einem Interview auf "hitparade.ch" auf die Frage, wie er auf die nun zwanzigjährige Bandgeschichte zurückblicke.
Und in der Tat ist es erstaunlich, wohin die Reise der Band gegangen ist. Der gemeine Fan erinnert sich noch gerne an die legendären Auftritte von Stiller Has in den neunziger Jahren im Zelt des Nellie Nashorn. Zusammen mit dem Multiinstrumentalisten Balts Nill bildete Endo Anaconda ein kongeniales Duo. Vom Publikum anfangs als "Musikkabarett" eingeordnet, sah Anaconda Stiller Has aber schon damals als ernsthafte Band.

Ein allter Mann der Stumpen raucht? Endo Anaconda.
Ein allter Mann der Stumpen raucht? Endo Anaconda.

Nach dem als Quartett aufgenommenen 96er Album "Moudi" trieb es Endo Anaconda immer mehr in Richtung Gruppe, während Ballts Nill ausschliesslich als Duo weitermachen wollte. Das führte schliesslich, wenn auch mit ziemlicher zeitlicher Verzögerung, zum unvermeidlichen Bruch. Anaconda machte mit einem Quartett weiter und wer die Band am Freitagabend sah und hörte, muss ihm Recht geben. "Stiller Has" ist jetzt eine "richtige" Band. Sie spielten hauptsächlich Stücke des letzen Albums "Geisterbahn" und der am 23. Oktober erscheinenden Scheibe "So Vodorbe", dazwischen ein paar ältere Songs. Die Hasen präsentierten sich gut aufgelegt, wirkten unglaublich spielfreudig und wie aus einem Guss. Der für die Kompositionen zuständige Ausnahmegittarist Schifer Schafer hatte einen guten Tag erwischt und groovte auf seiner Gibson 335, dass es eine Freude war. Markus Fürst am Schlagzeug machte keine Experimente, stellte sich ganz in den Dienst der Gruppe. Salome Buser steuerte so manchen schönen "Walking Bass" bei, machte die Musik stellenweise fast tanzbar. Endo Anaconda röhrte, flehte, stammelte, schluchzte, winselte und schwitze wie gewohnt; das dankbare Publikum sparte nicht mit Applaus.

Wirkte weggetreten, war aber immer voll da: Schifer Schafer.
Wirkte weggetreten, war aber immer voll da: Schifer Schafer.

Nach neunzig begeisternden Minuten boten Stiller Has ihren Fans mit "Fänschterplatz", "Lismete" und "Fäderlicht"; drei ruhigeren Stücken, einen regelrechten Absacker, fuhren das teilweise imense Tempo spürbar zurück.
Nach zwei Stunden gingen die Lichter an, ein tolles Konzert war zu Ende.
Derweil der Verfasser dieser Zeilen mit einem freundlichen Schifer Schafer fachsimpeln und seine schönen Gitarren begutachten durfte, führte der Kollege "sw" ein Interview mit Endo Anaconda, das in Kürze hier erscheinen wird.
The Bishop

Zuschauer: 200
Spieldauer: 2 h

Stiller Has sind:
Endo Anaconda: Gesang
Schifer Schafer: Gitarre
Salome Buser: E-Bass
Markus Fürst: Schlagzeug

Wir möchten noch auf die aktuelle "So Vodorbe" Tour aufmerksam machen. Die Daten gibt es hier: Tourdaten von Stiller Has
Dabei sei besonders das Konzert am Sonntag, 15.11.09 im Volkshaus zu Basel erwähnt.
Das Dorfgeschwätz-Gespräch mit Endo Anaconda
Das Interview mit Endo Anakonda auf "hitparade.ch"



23.07.2009, Stimmen, Marktplatz Lörrach:
Das erste Date
Ich & Ich debütieren in Lörrach und schmiegen sich ein

Stimmen Auffallend ist wie voll der Marktplatz im Vergleich zum letzten besuchten Konzert ist. Waren es doch beim Paul Simon Konzert, damals anno 2008 doch etwa nur halb so viele Besucher. So ist es also für eine Band wenn diese aktuelle Hits hat und wohl auch spielt. Viel junges Volk, aber nach oben gut durchmischt ist alles im Publikum dabei.

Als Vorgruppe gab es Johannes Oerding mit "oe" geschrieben. Diese Schreibweise war dem Sänger mehr als wichtig. Eine jungenhafte Vorgruppe mit Ambitionen. Aber der Groove fehlt und vielleicht kommt er ja noch mit der Bühnenerfahrung. Aber so richtig überzeugen will der Herr Oerding nicht. Nun gut eine halbe Stunde Einstimmung ist ja immer nett. Auch um mal die verschiedenen Perspektiven zur Bühne schon einmal für später auszuloten.
Pünktlich um viertel vor neun beginnt es zu regnen. Ist es nicht Sommer? Wie üblich bei Stimmen-Festival-Konzerten verwandelt sich der Marktplatz in eine Ansammlung von gleichfarbigen Zwergen. Optisch hervorgerufen durch die gratis verteilten Regenkondome. Nette Geste des Veranstalters. Sind doch aber auch mitgebrachte Schirme am Eingang abzugeben. So bleibt auch bei schlechtem Wetter die Sicht gut erhalten auf die Bühne. Leider wollten die netten Einlasser den ganzen Korb Regenschirme nicht hergeben.
Der Schreiberling zog es lieber vor bei Regen klassisch unterm Hausvorsprung abzuwarten. In der Pause nach der Vorband reicht dort auch eine T-Shirt Bekleidung.Der bringt ja sooooo viel Gefühl rüber. Sah es doch auch nach baldiger Aufklärung, am Himmel, aus. Eine gute Gelegenheit noch mal die neue Kamera mit den örtlichen Lichtverhältnissen einzuschießen. Vom lokalen Caipirinha Stand wogt Sendin out an SOS herüber, fragt sich wohin, zu Petrus? Und tatsächlich kurz nach Konzertbeginn bricht der Himmel auf.

Und mit welchem Lied beginnt Ich & Ich ein Konzert? Standesgemäß mit Ich & Ich. Eine schöne Kombination für Egozentriker mit textzeigendem Autoradio Ich Ich Ich Ich... usw. Dem Sänger ist der Spaß am öffentlichen Auftritt sichtlich anzusehen. Sicher bewegt er sich auf der Bühne, der Adel Tawil, auch ohne Anette Humpe. Die geistige Mutter von Ich & Ich ist nach eigener Aussage ja keine Rampensau und meidet die Bühne. Ich schrammel meine Gitarre so gerne.Stimmenmäßig wird die Blonde nun von einer Brünetten vertreten, mit mindest ebensoviel Volumen.

Die Stimmung in Lörrach ist prima. Das Publik macht jede Aktion mit, angefangen bei Arme wedeln, über Feuerzeuge abbrennen bis hin zu Textzeilen für den Sänger zu Ende singen. So ist es ein leichtes für beide Seiten ein gutes Konzert zu gestalten. Ich & Ich revanchiert sich z.B. mit Anekdoten über vergebliche Versuche das Rauchen aufzugeben. Die Band spielt nicht einfach die Songs von der CD runter, sondern gibt jedem Lied mindestens ein Extra-Schmankerl. Eben eine Live-Version, gut abgemischt und spielerisch umgesetzt. Entgegen der Erwartung eine Schmusestunde zu verbringen, kommt Ich & Ich live erheblich härter rüber. Was einem Auftritt nur zu Gute kommt. Ich kann mich nicht erinnern, auf all' den Studioalben eine schrammelnde, gequälte E-Gitarre oder Bass und Schlagzeugeinsätze gehört zu haben. Live wirkt es umso mehr. Eine voll besetzte Rockband mit Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboard ist auf der Bühne, inklusive zwei Extra-Sängern.

Super Mario Ich.
Super Mario Ich.

Das Licht mit einer riesigen Leuchtwand im Hintergrund auf der Hunde laufen und Sonnen unterzugehen scheinen, gibt dem ganzen etwas Spektakelhaftes. Als dann Adel Tawil auch noch vom ersten Date mit Lörrach auf dem Marktplatz spricht, ist das Band des Abends endgültig da. So stelle ich mir Bühnenpräsenz vor und einen gelungen Abend.
Nach reichlich Nachschlag in der obligatorischen Zugabe, inklusive Duett, ist dann auch eine musikalische Zufriedenheit hergestellt. Diese lässt einem ohne Enttäuschung das Konzert beenden. Die Lust nach Schmonzette ist gestillt.
Pretender #1

Zuschauer: knapp 5000
Spieldauer: 2 Stunden

Heimatseite von Ich & Ich
Stimmen-Festival



11.07.2009, Stimmen, Wenkenpark Riehen:
"See you at the Biergarten"
Lambchop / Calexico

Stimmen Da freut man sich an einen schönen Sommerabend, nach gutem Essen auf ein gepflegtes Bier oder zwei beim Konzert... Das dieses Vorhaben manchmal schwerer umzusetzen ist als erwartet mussten die Besucher der obigen Veranstaltung erfahren. Es standen sich ca. 1500 Zuschauer an unfassbaren zwei Getränkeständen die Beine in den Bauch. Eine mögliche Antwort auf die Frage, warum ein so erfahrener Veranstalter diesem Missstand nicht schon im Vorfeld entgegenwirkt bekam man, wenn man das stille örtchen aufsuchen musste. Denn da führte sich die Schlange von den Getränkeständen fort. Es müssen ja weniger Getränke ausgeschenkt werden, ansonsten reicht das Fassungsvermögen der DIXIs nicht aus...

Kurt Wagner

Musik wurde auch gemacht und das zur vollsten Zufriedenheit. Lambchop, das Alternative Country-Kollektiv mit Hang zum Soul eröffnete den Abend. Sänger und Mastermind Kurt Wagner legte durch seine warme, Trost spendenden Stimme eine wunderbar, relaxte Stimmung über den Wenkenpark. Einige würden Lambchop und ihre Musik sicher langweilig finden, jedenfalls ist es keine Musik für Headbanger. Diese Band will doch auch ganz woanders hin. Sie erfinden ihre Songs über die Langsamkeit, die Faszination erwächst aus der Behutsamkeit mit der die einzelnen Töne gesetzt werden, jeglicher Misston wird vermieden. das ist zum Zurücklehnen, zum Entspannen, zum Relaxen - wie eine angenehme Massage. Genau so wie eine Massage fühlte sich der Auftritt an. Den Grossteil der Setlist bildete das neue Album "Oh" und wurde durch ältere Songs ergänzt. Gegen Ende des Konzertes zeigte sich Kurt Wagner von einer anderen Seite. Extrem energisch und expressiv rotierte er auf seinem Stuhl und schrie schon fast mit ausgestrecktem Zeigefinger den Liedtext. Den Höhepunkt einer rundum gelungenen Darbietung war die Zugabe des "Sister of Mercy"-Klassikers This Corrosion. Nach ca. 80 Minuten räumte Lambchop die Bühne für Calexico.

Joey Burns

Die Mannen um Frontman Joey Burns und Drummer John Convertino waren in bester Laune und gaben zu verstehen, dass sich die Band im Dreiländereck zum wiederholten Male sehr wohl fühle. Nach dem sich Calexico auf ihrer neuen Platte wieder vermehrt den Mariachi-Klängen widmen war auch das Konzert etwas flotter. Auch hier wurden die Songs des neuen Albums mit wunderbaren, älteren Kompositionen ergänzt. Der Tucson-Dessert-Rock, wie er genannt wird, ist eine abwechslungsreiche Mischung aus Country Rock, Folk, Latin Jazz und Mariachi Klängen. Wie bei Lambchop sind auch bei Calexico erstklassige Musiker angestellt, die ihr Handwerk bestens verstehen. überrascht hat mich die Anwesenheit von Chris Cacavas, der mit den Herren Burns und Convertino schon bei Giant Sand musiziert hat. Cacavas selbst ist auch ein sehr guter Songwriter und hat einige gute Alben veröffentlicht (Tipp des Autors).
Calexico sprühte vor Spielfreude und nahm die Zuschauer mit auf eine Reise irgendwo zwischen Californien und Mexico. Zur letzten Zugabe holten sie ihre Freunde von Lambchop auf die Bühne und gaben den Dylan Song I threw it all away zum Besten. Ein gelungener Abschluss zu einem klasse Konzert-Abend. Die Kombination der beiden Bands ist außergewöhnlich gut und sie stehen sich in ihrem Können in nichts nach. Deshalb ist es verwunderlich, dass sie erst zum dritten Mal zusammen aufgetreten sind. Hervorzuheben ist auch die Bodenständigkeit, denn welche Bands sagen zum Abschluss: "see you at the Biergarten, bei Pils". Und das taten sie dann auch.
sw

Zuschauer: ca. 1500
Spieldauer: in summa 2h45

Homepage von Lambchop
Homepage von Calexico
Stimmen-Festival



11.07.2009, ZMF, Zirkuszelt:
Facetten musikalischer Erzählung
"Fest van Cleef"

ZMF Vom Liedermacher bis zu Punkrockern - mit Gisbert zu Knyphausen, Muff Potter, Kilians, Why?, Tomte und Element of Crime bringt ein Hamburger Label eine breite und interessante Palette musikalischer Erzähler nach Freiburg.

Bei "Grand Hotel van Cleef" handelt es sich um ein kleines Hamburger Independent-Label, gegründet 2002 vom Tomte-Sänger Thees Uhlmann und den den Kettcar-Musikern Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff. Seit 2006 veranstalten sie jährlich eine dreitägige Tour verschiedener labeleigener sowie befreundeter Bands durch deutsche Städte; dieses Jahr mit Station in Freiburg und mit einer beachtlichen Vielfalt an Musikern.

Jonathan und Josiah Wolf von Why?
Jonathan und Josiah Wolf von Why?


Auffällig beim Betreten des ZMF-Geländes ist an diesem Tag das junge Publikum, hippieske Avocados löffelnde Mädels und Emo-Kids, im Schnitt unter zwanzig Jahren alt. Das Zelt ist gut halb gefüllt, als pünktlich 17 Uhr ein Herr mittleren Alters die Bühne betritt und den Abend mit einem Gedicht eröffnet. Der Witz entzieht sich mir irgendwie und dass es selbst verfasst ist, glaube ich ihm sofort. Wie sich später heraus stellt, handelt es sich hier um o.g. Tomte-Sänger Thees Uhlmann, einen Hauptverantwortlichen für diese Veranstaltung - sei's drum,

Gisbert zu Knyphausen
betritt die Bühne und beginnt den Auftritt solo mit bisher unveröffentlichtem Material, das seinen leider recht kurzen Auftritt dann auch dominiert. Seine Qualitäten sind offensichtlich: in spielend leicht erzählten und sparsam arrangierten Balladen trifft er den Zeitgeist, immer dicht dran an der Melancholie verliert er aber nie die Hoffnung aus dem Blick. Seine Band betritt die Bühne, auch im zweiten Song erzählt er nicht von fremden Welten, sondern erweckt Stimmungen im aufmerksamen Zuhörer, die zu steigern er sich aufs Vortrefflichste versteht. So richtig wach wird das Publikum erst mit dem darauf folgenden Song Neues Jahr, dem Opener seines 2008 bei PIAS erschienen Debütalbums. Dass jenes Album nicht bei van Cleef erschienen ist, ist Insiderinformationen zu Folge den o.g. Herren zu verdanken, die wohl nicht richtig zugehört haben müssen, denn beworben hatte er sich. Auch der Rolling Stone hat ihn anfänglich übersehen, dafür erschien er in der diesjährigen Mai-Ausgabe mit Reinhard Mey und Tom Liwa im Gespräch, exklusiver Live-Silberling beiliegend.
Gisbert zu Knyphausen
Den Bildern, die er z.B. in Flugangst entwirft, bleibt auch live noch genug Raum zur Entfaltung, das Gitarrenhandwerk dieses junge Sterns am Liedermacherhimmel ist meisterlich, eine Empfehlung absolut wert!
Ganz auf seiner Seite hat er das Publikum spätestens mit seinem Hit Sommertag, bevor er solo an der E-Gitarre seinen Auftritt beendet: "Gleich kommen noch sehr viele junge aufstrebende Künstler wie z.B. Element of Crime und Tomte" - ein bisschen näher am Witz dran zu sein scheint er also auch.

Nach kurzer Umbaupause betritt Viertel vor sechs o.g. Poet wieder die Bühne, die neuen geistvollen Zeilen gewidmet den jetzt erscheinenden

Muff Potter.
Sofort ist klar, dass sie hier einen Rand des Abendprogramms bilden, denn lauter und schwungvoller ist niemand, auch wenn ihre Texte denen der anderen Artisten in nichts nachstehen. Sänger Nagel bezeichnet seine Band zwischen den Titeln als "besoffenes literarisches Quartett", was treffend ist, denn schreiend gewinnen sie dem Kulturpessimismus immer noch was Positives ab.
Viele erreicht das aber nicht, wahrscheinlich sind sie dem Indy-Publikum zu laut, denn das Zelt ist etwas leerer jetzt und so erreicht beispielsweise die Ballade 22 Gleise Später nur wenige.
Muff Potter
Die neueren Titel - Muff Potter musizieren seit 16 Jahren - kommen in ihrem Punkrock-Sound leider etwas weichgespült daher, auch wenn der Sound hier besser ist als in jedem Autonomenbunker, in dem sie aufgrund ihrer Punklastigkeit wohl eher vermutet werden. Aber genau dort sind sie weniger zu verorten als beim ZMF, ist es doch ihr Bestreben, das enge Korsett des Hardcore-Punk und seinem Szenesumpf aufzubrechen. Dafür werden sie angefeindet, das Label Universal, das deren CDs produziert, macht sie angreifbar; da wird schnell vergessen, dass das Vinyl bei Huck's Plattenkiste erscheint und die Aufnahmen der Alben sowieso selbst gemacht werden... Nostalgie von Möchtegern-Punkern oder solchen, die mal welche waren.
Mit ihrer - wie sie selbst sagen - "angry pop music" heizen sie das ohnehin schon warme Zelt ordentlich auf, beim Hit "Gute Aussicht" zeigt sich, wem die Band hier ein Begriff ist - dann ist alles schon wieder vorbei, kurz wird gespielt beim Festival im Festival.

18:45 taucht zur überraschung wieder der Clown-Frühstücker auf, der Reim gilt diesmal den

Kilians.
Sie sind zwar sehr jung, treten allerdings höchst abgeklärt auf, haben sie doch schon einige große Gigs zu verzeichnen. Da ist nichts mehr von der einstigen Schulband zu merken, der Sound stimmig, so rund, dass er die Grenze von Indyrock zu Britpop markiert - und das Englisch des Sängers den Hartog ist makellos. Zu ihrem Line-Up gehören Hits wie Hometown, Said & Done, When Will I Ever Get Home? und Fight The Start womit sie das sehr junge Publikum, das sich jetzt vor der Bühne drängt, richtig in Fahrt bringen. Dieses Publikum erklärt auch die elterlich anmutende Bevölkerung, die sich auf den hinteren Rängen des Zeltes niedergelassen hat, zu Element of Crime wird's bestimmt andersrum sein; aber sehr schön, dass beim van Cleef viele Altersgruppen angesprochen werden.
Kilians
Auch den Kilians ist nur kurze Zeit gewährt, in der sie ihr Ding gut machen, nichts weltbewegendes, aber auch nicht langweilig, keine Zugabe, wir sind gespannt auf das nächste Gedicht, das zehn vor acht nach der Umbaupause dann tatsächlich zum Besten gegeben wird.

Why?
Why? sind anders, das zeigt sich nicht nur im Bühnenbild. Da steht ein Schlagzeug mit riesigem Xylophon, ein Keyboard, ein Bass und Percussion - bedient in wechselnder Besetzung, denn Why? sind Multiinstrumentalisten und lassen sich nur schwerlich einordnen. Ihr Label "Anticon", das sie mitgegründet haben, steht vornehmlich für alternativen Hip Hop und gelegentlich rappen Why? auch, ihre Stücke - oder sollte man besser Arrangements sagen? - erwecken aber auch gern den Eindruck von Folk oder Singer/Songwriter Pop, tangieren dann aber wieder New Wave... Der Sänger Yoni Wolf beschreibt ihre Musik, wohl ebenfalls unentschieden, als "sickly sweet, half-rapped, sing-song suicide style" - damit dürften alle Klarheiten und Genregrenzen beseitigt sein.
Doug McDiarmid
Hip Hop war vorgestern, Indy war gestern, heute begeistern Why? als die wohl ungewöhnlichsten Artisten des Abends das Publikum, hauptsächlich mit Songs von den Alben Eskimo Snow und Alopecia. Sie breiten atmosphärische Klangteppiche aus, auf denen sie ihre Schemen aufbauen, um sie gleich wieder fallen zu lassen, mal mit schnellen Beats, dass das Publikum zappelt, dann in Pop-Allüren, dass das Publikum mitklatschen will, doch da ist auch schon der nächste Bruch und Fragmente des Vergangenen tauchen im neuen Gewand wieder auf - gewaltig und des Prädikats Avantgarde absolut würdig. Das van Cleef-Publikum ist begeistert, am meisten wohl beim Hit The Hollows. Nur dass hier aller Applaus nichts nützt, auch als die Musiker zum Umbau ansetzen, Zugaben sind einfach nicht drin bei diesem engen Zeitplan, leider.
Josiah Wolf
Jede verkaufte Why?-CD mit einem Euro zu subventionieren, offeriert wenig später Hobby-Poet und Labelgründer Uhlmann beim Auftritt seiner eigenen Band...

Tomte
Tomte kündigen sich dann selbst kurz vor zehn nicht mit einem Gedicht an und eröffnen ihren Auftritt mit einem Cover von Human von The Killers. Die Masse ist schnell begeistert, Tomtes Indy-Pop ist eben ein Dauerbrenner. Mit Hits wie Ich sang die ganze Zeit von dir, Schreit den Namen meiner Mutter, Buchstaben über der Stadt oder Die Schönheit der Chance haben sie keine Mühe, den Schwung aufrecht zu halten, viel gibt's da nicht zu sagen.
Tomte
Das Zelt voller amüsierter, in den vorderen Reihen studentisch anmutende Menschen - endlich Zeit, nach so viel Musikgenuss den örtlichen Ausschank zu besuchen und sich bei kühlem Getränke für die abschließende Band zu erholen.
Mit Der letzte große Wal ging ihr Auftritt zu Ende, der allerletzte große Wal sollte aber noch kommen…

Element of Crime
betreten unter großem Applaus die Bühne, ihr Auftritt ist anfänglich sehr ruhig, zuweilen begleitet von einer Geige - diese gehört zu den neuen Liedern Kaffee und Karin, Euro und Markstück, Immer da wo du bist bin ich nie, die auf dem neuen Album im September erscheinen werden. Werden Element of Crime in Zukunft etwas countrylastiger? Wir sind gespannt. Element of Crime sehen gut gelaunt aus, Sven Regener bekundet gelegentlich seine Wohlgefallen am Fest van Cleef. Ihr Spiel gewohnt souverän, die Chansons fahren unter die Haut, Regeners Trompetenspiel haucht ein wenig Wehmut hinzu. Später geben sie allseits bekannte Stücke wie Weisses Papier, Delmenhorst, Mittelpunkt der Welt oder Straßenbahn des Todes zum Besten, das Publikum ist entzückt, zeigt das auch und so bleiben nach dem ersten Ende um 23 Uhr die geforderten Zugaben nicht aus, derer vier sie geben.
Element of Crime
So geht ein großartiger Musik-Marathon zu Ende, der sehr vielseitig die verschiedenen Facetten derzeitiger musikalischer Erzähler dem Publikum näher brachte. Auch wenn ein leicht bitterer Nachgeschmack ob der Kürze der einzelnen Auftritte zurück bleibt, stellt die Reichhaltigkeit der Erfahrungen dieses Abends hohe Erwartungen an das, was da von den Artisten in Zukunft kommen wird - wir freuen uns darauf.
p.aule

Zuschauer: knapp 3000 (fast ausverkauft)

Gisbert zu Knyphausen sind:
Frenzy Suhr: Bass
Gunnar Ennen: Gitarre, Tasteninstrumente
Sebastian Deufel: Schlagzeug
Jens Fricke: Gitarre
Gisbert zu Knyphausen: Gesang, Gitarre
Spieldauer: 33 kurze Minuten

Heimatseite von Gisbert zu Knyphausen

Muff Potter sind:
Thorsten Nagel Nagelschmidt: Gesang, Gitarre
Dennis Scheider: Gesang, Gitarre
Dominic Shredder Laurenz: Bass
Thorsten Brami Brameier: Schlagzeug
Spieldauer: ganze 38 Minuten

Heimatseite von Muff Potter

Kilians sind:
Simon den Hartog: Gesang, Gitarre
Dominic Lorberg: Gitarre
Gordian Scholz: Bass
Michael Schürmann: Schlagzeug
Arne Schult: Gitarre
Spieldauer: 37 Minuten

Heimatseite von Kilians

Why? sind:
Jonathan Yoni Wolf: Gesang, Gitarre, Klavier, Synthesizer
Josiah Wolf: Schlagzeug, Percussion, Gesang
Doug McDiarmid: Bass, Gesang, Gitarre
Austin Brown: Percussion, Gesang
Spieldauer: genau 37 Minuten

Heimatseite von Why?

Tomte sind:
Thees Uhlmann: Gesang, Gitarre
Dennis Becker: Gitarre
Nikolai Potthoff: Bass
Max Schröder: Schlagzeug
Simon Frontzek: Keyboard
Spieldauer: 51 Minuten

Heimatseite von Tomte

Element of Crime sind:
Sven Regener: Gesang, Gitarre, Trompete
Jakob Friderichs: Gitarre
David Young: Bass
Richard Pappik: Schlagzeug
Spieldauer: 83 Minuten

Heimatseite von Element of Crime
Heimatseite des ZMF



09.07.2009, ZMF, Zirkuszelt:
Betörender Abgesang einer Legende
Der Buena Vista Social Club auf dem ZMF

ZMF An einem Sommerabend im Jahre 2002 streckte nahe Lugano auf der Autobahn ein weißer VW-Polo alle vier Räder himmelwärts. Die beiden Insassen waren unverletzt, doch höchst schockiert. Nicht so dagegen der CD-Player des Polos, unverzagt dudelte dieser die kubanischen Weisen des Buena Vista Social Club rauf und runter: "Zu Pferde geh'n wir auf den Berg" und ähnliches mehr rief zum Tanz zwischen Schrottblech und Tatütata. Erst das beherzte Eingreifen eines Feuerwehrmanns setzte der unpassenden Romantisierung des Augenblicks ein Ende. Soviel zur Allgegenwärtigkeit des Buena Vista Social Club.
Sieben Jahre später - wiederum an einem Sommerabend - war es nicht das einzige noch funktionierende Ding eines traurigen Polos, aus dem die Kubaner erklangen. Als Resonanzkörper fungierte dieses mal ein Zirkuszelt. Und dieses mal kam kein Feuerwehrmann.
Zahlreich waren die Freunde der kubanischen Musik herbeigeströmt um den Dinosauriern sonnenverwöhnter Lebensfreude zu huldigen. Die Zuschauermenge, die für einen Werktag recht umfangreich war, erinnerte an einen vorbildlichen Geflügelbetrieb: überwiegende Flächenauslastung des Zelts bei dennoch angenehm bemessenem Bewegungsspielraum für das Einzelvieh. Erwartungsgemäß vereinte das Publikum alle Alters- und Gesellschaftsgruppen: Ob im gutbürgerlichen Wohnzimmer, auf der Cocktail-Party, beim Teenie-Saufgelage oder am WG-Frühstückstisch: Wer sich nicht schlicht sattgehört hat am Cubanosound (oder durch ein Trauma wie dem oben geschilderten eine Geschmacksverwirrung erlitten hat) bekennt sich meist nach wie vor zu ihm.
Mit der Beliebtheit dieser Kubaner ist es ein bisschen wie bei deren niemalsgealtertem Wahl-Landsmann Che, dessen zweckmäßig vergröbertes Konterfei von der Ikone zum icon schrumpfte. Der Sozialclub brauchte dazu weit weniger Zeit. Kein Wunder - war er doch von vorn herein als cineastischer Senkrechtstarter angelegt. Als Kunstgebilde mit vage bleibender kultureller oder gar politischer Bodenhaftung, allzeit bereit, Tag- und Nachtträumen jeglicher Couleur einen wohligen Hafen zu bieten. In Havanna wohlgemerkt, wo sich Papst und Revoluzzerpapa in der Volksseele zerfleischen. Wo der Dollar immer schneller rollt und der Rubel auch nichts mehr rettet.
Wenden wir nun den Blick ab vom Publikum und dem Land der rostigen Straßenkreuzer, werfen wir doch ein Ohr in Richtung Bühne: Zunächst zeigte sich der legendäre Greisenclub irritierend verjüngt. Während einige Rentner dezent am Außenrand der Bühne ihrer raren Bläsereinsätze harrten, gehörte die Show einer neuen Generation kubanischer Musikanten. Indessen blieb es auch vorerst bei der Show: So bestach Idania Valdés, die junge Frontlady der ersten Halbzeit, weniger durch ihre recht blasse Stimme, als durch adrettes Wackeln mit allerlei Körperteilen.
Mit der Einwechslung von Omara Portuondo zur zweiten Halbzeit wurden jedoch schließlich auch die Ohren bedient. Die in ein grelloranges Nachthemd gewickelte Greisin, die mit einer gewissen Penetranz von Jesus Aguaje Ramos (Posaune) wiederholt als "sexy" markiert wurde, bewies mit umwerfend frischer Volltonigkeit, dass der Sinnlichkeitsfaktor der kubanischen Musik weit weniger durch Gewackel denn durch Gesang zur Entfaltung kommt.
Das Körperwackeln verlagerte sich nun auf das Publikum, was durchaus auch seinem Auftrag entsprach. Etliche Hörer begnügten sich nicht mit spontanem Tänzeln, es wurde einiges an einstudiertem Tanzschulkönnen aufgeführt, wenn auch zum Teil offensichtlich uraufgeführt.
Prägend blieb letztendlich der Kontrast zwischen erster und zweiter Halbzeit: Es wurde allzu deutlich, dass nur noch Reste des Buena Vista Social Clubs unter den Lebenden sind und sich bislang kein Nachwuchs fand, der das Zeug hätte, in die Fußstapfen der kubanischen Legende zu treten. Ein im Grunde genommen erwartbares Resultat, nicht eigentlich schade, aber doch einer der vielen Anlässe, manchmal sentimental Verbleichendem nachzublicken.
Patrick Widmann

Zuschauer: gute 2000
Spieldauer: gute 2 Stunden



06.07.2009, ZMF, Zirkuszelt:
Balkanparty hoch drei
Goran Bregovic and the Wedding and Funeral Orchestra

ZMF Vorneweg: der Abend hat dem Fass schlicht den Boden nach oben ausgeschlagen!
Schon der Auftakt ließ die Menge jubeln. Vier Streicher auf der Bühne lieferten sich ein musikalisches Zwiegespräch mit fünf Bläsern, die durch den Eingang des Zeltes einliefen. Rhythmisch angeheizt von einem Trommler gesellten sich noch zwei bulgarische Sängerinnen in Tracht mit Blumenschmuck auf dem Kopf dazu sowie sechs Herren, die einen Chorgesang anstimmten. Zu guter Letzt erschien Goran Bregovic selbst, in einem weißen Anzug mit spitzen Kroko-Rosen Schuhen. Als dritter Song wird der Hit "Gas, gas, gas" angestimmt, bei dem die Ordner schon die ersten Besucher in die Schranken weisen mussten und die Setlist wurde damit auch über den Haufen geworfen. So nahm die Party ihren Lauf…

Gefühlvoller Bregovic.
Gefühlvoller Bregovic.

Der Sohn eines Kroaten und einer Serbin überwindet musikalisch-ethnische Grenzen und mixt in seinen Liedern traditionelle Elemente des Balkan mit mediterranen und auch orientalischen Einflüssen, er vermengt Tango, Polka und Pop. Oberstes Credo: das Gefühl. Das Herz wird beim Hören schwer, ganz schwer. Oder wunderbar leicht, befreit. Oder beides zugleich. Musik für Beerdigungen und Hochzeiten eben.
Bregovic präsentierte mit seinem 18-köpfigen Orchester Stücke aus seinem Filmmusik-Repertoire, Nicht alltägliches Schuhwerk.aber auch neue Songs von seinem aktuellen Album "Alkohol". Die zweieinhalb Stunden waren abwechslungsreich durchdacht. Balladen wechselten mit feurigen Hits. Wunderschönes Wehklagen der Frauen wurde vom sakralen Gesang des Männerchores unterstützt. Vom Maestro selbst sah man recht wenig. Er spielte seine blaue Gitarre und bediente zwischendurch seinen Mac, aus dem wohl auch noch Klänge kamen, aber (für mich) nicht wahrnehmbar waren. Mit sparsamen Gesten dirigierte er seine Kompositionen aus Zigeunerklängen, Balkan-Folklore, pastoralen Chören, Klassik-Intermezzi und melancholischen Filmmusikpassagen, in deren stillste Momente unvermittelt die Blechbläser mit lautem aber gekonntem Getöse hineinfuhren.

Voller Einsatz der Blaskapelle.
Voller Einsatz der Blaskapelle.

Herauszuheben gilt es Alen Ademovic an der Drum Bass, der mit den beiden Tenorhornisten die Rhythmusgruppe bildete und mit einer wunderbaren Stimme, die mehr an den Orient als an den Balkan erinnerte und das Publikum in seinen Bann zog. Welches nach kurzer Zeit dem Konzert nicht mehr sitzend folgen konnte und das Zirkuszelt zur Tanzzone erklärte. Das Konzert war wie das neue Album heisst, "Alkohol" und ist wie ein Rausch mit all seinen emotionalen Höhen und Tiefen: hemmungslos, herzergreifend, von slawischer und Zigeuner-Seele erfüllt: Balkan pur, hochprozentig, dennoch auch für "alkoholfreie" Zuhörer zu empfehlen: Keiner bleibt ungerührt, der Musik-Cocktail aus Bregovics Heimat ist höchst explosiv und wenn er doch nicht in den Kopf geht, dann sicher doch in die Beine und verführt auf jeden Fall zum Tanzen und zum Feiern.
sw

Zuschauer: 1500
Spieldauer: ca. 2,5 Stunden

Homepage von Goran Bregovic
Heimatseite des ZMF
Bregovic vor zwei Jahren auf dem ZMF



04.07.2009 Auditorium Stravinsky, Montreux:
Becker und Fagen endlich beim Jazz-Festival
Steely Dan zeigen, dass sie in einer eigenen Liga spielen

Montreux Jazz Festival Bei der 43. Auflage des legendären Montreux Jazz Festivals war es endlich soweit. "Steely Dan", legendäre US Band stand auf dem Line Up. Festivalgründer und Spiritus Rector Claude Nobs zeigte sich bei der Ansage stolz und glücklich eine seiner "favorite bands over all those years", endlich live begrüssen zu dürfen.
Die "Band" besteht seit ihren Anfangstagen 1972 allerdings lediglich aus Donald Fagen und Walter Becker, einem kongenialen Songwriter Duo. Die Beiden leisteten sich schon immer den Luxus, nur die besten Studiomusiker Amerikas um sich zu scharen, um ihre einzigartigen Kompositionen zu verwirklichen. Acht Musiker und drei Sängerinnen betraten fast pünktlich um 20.00 Uhr die Bühne des Auditorium Stravinski und begannen mit "Teenies Blues", einem Stück, dass schon nach den ersten Takten die ganze Klasse dieser Band zeigte. Nach wenigen Minuten gesellten sich Becker und Fagen lässig dazu; frenetischer Applaus brandete auf.

BILDUNTERSCHRIFT
Zwei der grössten lebenden Musiker: Walter Becker...

"Steely Dan" boten dem oft staunenden Publikum 90 Minuten Jazzrock der seinesgleichen sucht. Sie spielten Songs aus allen ihren Schaffensperioden, bevorzugten aber ganz klar, die Jazzlastigeren Stücke. Keith Carlock, ein Schlagzeuger der die Drumsticks auf die klassische Marschtrommlerart hält, demonstrierte eindrucksvoll, dass ein Schlagzeug weit mehr sein kann, als ein reiner Taktgeber. Keith Carlocks Schlagzeugspiel lässt sich kaum beschreiben. Ich habe noch keinen Drummer gehört, der das Hihat so filigran bearbeitet.
Walter Becker war in prächtiger Spiellaune, er entlockte seiner Strat manch glasklar perlendes Solo. Die "Mörderparts", wie zum Beispiel das Solo in "Kid Charlemagne", von der LP der The Royal Scam (1976), im Original von keinem geringeren als Lary Carlton beigesteuert, überließ er dem zweiten Gitarristen John Herington.

BILDUNTERSCHRIFT
...und Donald Fagen.

Donald Fagen sang seine zynischen Texte leidenschaftlich, war stimmlich viel besser drauf als beim Blue Balls Festival (Luzern) vor zwei Jahren, wo er ganze Silben verschluckte und manchen Part den Backgroundsängerinnen überlies. Sein Pianospiel und seine Einlagen auf der guten alten Hohner Melodica sind eh über jeden Zweifel erhaben.
Die Bläser und die Sängerinnen rundeten einen Sound ab, der einzigartig war, ist und bleiben wird. Ein "Steely Dan" Stück wird immer als solches zu erkennen sein. Oft kopiert doch nie erreicht thronen Walter Becker und Donald Fagen ganz weit oben in der Rangliste der populären Musik.
Wer seinen musikalischen Horizont erweitern möchte, dem seien "Steely Dan"-Alben empfohlen. Den einfachsten Einstieg in den Kosmos dieser Gruppe ermöglicht wohl das oben erwähnte 76er Album "The Royal Scam". Und als Anspieltipp bieten sich "Kid Charlemagne" und "Night By Night", die beiden ersten Stücke auf dieser Scheibe, an.
TheBishop

Spieldauer: 90 Minuten

Steely Dan sind:
Donald Fagen - keyboards, vocals
Walter Becker - guitars, vocals
Keith Carlock - drums
Jon Herington - guitars
Marvin Stamm - trumpet
Jim Pugh - trombone
Roger Rosenberg - sax
Walt Weiskopf - sax
Freddie Washington - bass
Jim Beard - keyboards
Tawatha Agee - backing vocals
Catherine Rusell - backing vocals
Janice Pendarvis - backing vocals

Homepage von Steely Dan
Montreux Jazz Festival



03.07.2009:
Schwingendes ü50-Konzert
UB40 im ZMF-Zirkuszelt

ZMF "Wie kannst Du nur zu diesem ü50-Konzert gehen?", durfte ich mir von einem eben 40 gewordenen im Lauf des Tages anhören, als ich erzählte, dass ich die SC-Trikotpräsentation sausen lasse und erst später auf dem ZMF weilen werde. Und der ernstgenommenste Kritiker der Redaktion schrob aus Afrika, er habe sich vor 20 Jahren bei UB40 auch schon mal gelangweilt. Zwischenzeitlich wäre er vermutlich froh, wenn er wenigstens mal UB40 zu Gehör und Gesicht bekommen würde in seinem, vom Wasser umzingelten, Dorf.

Zum ersten Mal stehe ich in diesem Jahr im Zirkuszelt und es herrscht geradezu tropisches Klima. Die Hitze des Tages wurde durch ein heftiges Gewitter am Nachmittag etwas abgekühlt, dafür ist die Luftfeuchtigkeit jetzt exorbitant. Aber klimatisch wahrscheinlich die beste Voraussetzung für einen Reggae-Abend, an dem nicht einmal Alex Heisler die Band ansagt, sondern lieber gleich im Fotograben bleibt. Mit einem Intro vom Band treten die neun Jungs von UB40 recht pünktlich auf die Bühne und das Zelt, resp. dessen Insassen wippen von Anfang an mit. Bei weitem nicht ausverkauft, ist das Zirkuszelt dennoch recht gut gefüllt und lässt trotzdem genügend Bewegungsfreiheit die für ein derartiges Konzert vonnöten ist.

Perfekte Bläsersätze...
Perfekte Bläsersätze...

Zu Beginn hat der Mensch am Mischer scheinbar noch nicht alles im Griff, oder der Sound auf der rechten Seite des Zirkuszelts ist einfach nicht so gut, wie das bei Helge Schneider auch schon der Fall war. Nach einer Viertelstunde wird jedenfalls auf die linke Außenbahn gewechselt und da lässt der Sound keine Wünsche mehr offen.
UB 40 erfüllen die Erwartungen. Im Bezug auf Rhythmik und Varianz nicht gerade ...routiniert aber sichtlich zufrieden...abwechslungsreich, obwohl sie es wohl alle könnten, die Bläsersätze sitzen perfekt, die Band versteht sich auf der Bühne blind und präzise und trotz der Routine, die man im Laufe der über 30-jährigen Band-geschichte geradezu zwangsläufig bekommt haben sie alle noch sichtlich Spaß am Musizieren.
Bei einer Gesangseinlage des Bassers allerdings fragt man sich, wo ist eigentlich der Bass? Man kann nur spekulieren, doch die Hinweise verdichteten sich im weiteren Verlauf, dass in diesem Fall die Bassspur vom Keyboard kam. Skandal oder egal? Die geneigte Leserschaft möge es selbst entscheiden.
Als der Percussionist, der sich sonst hinter seinem Arrangement von Congas und anderen Rhythmikinstrumenten 'versteckte' seinerseits nach vorne kam um eines der Stücke zu singen, fühlte man sich an seinen Lieblingspizzabäcker ...und stilecht mit Rastalocken.erinnert, der allerdings in Größe und Umfang den Musiker noch um jeweils rund eine Kopf überragt. Trotzdem steigt die Lust, mal wieder einen Abend in der Pizzeria des oben bereits erwähnten afrikanischen Dorfes zu verbringen.
Grob geschätzt ein Drittel der Zuschauerinnen und Zuschauern dürften das hämisch angemerkte Kriterium "ü50" tatsächlich erfüllt haben, ein Exemplar gab es, das scheinbar tatsächlich derart gelangweilt war, dass er auf einem der wenigen Sitze im hinteren Teil des Zeltes einschlief - Spekulationen machten sich breit, ob er einfach von seiner Frau genötigt wurde mitzukomen, die weiter vorne im Zelt mitwippte - ich jedenfalls habe mich nicht gelangweilt und bin froh, dass ich din Sege ka hab, Rudi!
jh

Zuschauer: 1300
Spieldauer: ca. 2 Stunden

Homepage von UB40
Heimatseite des ZMF



02.07.2009, ZMF, Zirkuszelt:
Bitte gib mir mehr von diesen Deichkind Styles!


ZMF Auf ihrer vielleicht letzten Tournee nach dem unerwarteten Tod ihres Produzenten Sebi Hackert waren Deichkind zu Gast beim ZMF. Durch Deichkinds Musikvideos konnte man sich mental darauf vorbereiten was in der Show auf einem zukommen würde, ansonsten wäre man sicher etwas verstört gewesen. Die Deichkinder kleiden sich in zeitlos schöne schwarze Mülltüten die mit grellen, fluoreszierenden Streifen beklebt sind. Diese formen auf dem Rücken jeweils einen Buchstaben, so dass man "Yeah" liest, wenn sich alle auf der Bühne nebeneinander stellen. Oft wurden pyramidenartige Hüte getragen, die in verschiedensten Farben blinkten. Haute Couture im Deichkind Style.Die Bühne bestand aus einer gestuften Halbkuppel und wurde von drei MCs und bis zu vier Tänzern bevölkert.

Los ging es mit dem Song "23 Dohlen" und einer "ruhigen" Version von "Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)". Danach war erstmal Schluss mit Musik und die Deichkinder verkrochen sich für eine gefühlte Ewigkeit von fünf Minuten auf der Kuppel hinter Strandliegen während das Publikum langsam anfing auszurasten. Danach wurde mal so richtig geschockt als sich die Tänzer die Mülltüten von Leib rissen um sich auf einem Bürodrehstuhl zu lieben. Davon angefixt, band sich ein MC einen Gummidildo um und rannte, ansonsten unten ohne, damit auf der Bühne herum. Nach dieser Aktion wurde aus Rumprollerei schon beim nächsten Song Kunst. Jeder tanzte mit einem blau leuchtenden Regenschirm in Formation um die Kuppel. Die Choreografie erinnerte an Michel Gondrys legendäres Musikvideo von Daft Punks Around the world. Anschließend ging es langsam, aber sicher Richtung Bad Taste. Es wurden immer absurdere Dinge auf die Bühne gebracht, so zum Beispiel ein Ergometer und eine Artistenwippe. Beim Lied "Travelpussy" kam eine herrlich alberne Kulisse zum Einsatz, die im Stil von fünfjährigen Kindern mit einem LKW bemalt war. Als Scheibenwischer des LKWs fungierten zwei schwarze Stäbe, die von den Tänzern, natürlich komplett asynchron, bewegt wurden. Auf der Documenta würde das als Installation sicherlich als wegweisend gefeiert werden. überraschenderweise wurden dann auch Deichkind Klassiker wie "Bon Voyage" gespielt. Die Bühne füllte sich mit der Zeit immer mehr. So wurden Trampoline aufgestellt, auf denen dann auch noch eine Kinderhüpfburg aufgeblasen wurde. Zwei Tänzer setzten sich in ein Schlauchboot und "fuhren" damit über das Publikum, Yeah! Zum Schluss gab es noch mal den Song Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah), diesmal aber in der Alles muss raus Version bei der der ganze Krempel von der Bühne geschmissen wurde, so landete die Hüpfburg kurzerhand im Publikum.

Pause hinter Strandliegen.
Pause hinter Strandliegen.

Wer sich eine Deichkind Platte kauft und nicht auf ein Konzert geht, verpasst eigentlich das Beste, denn Deichkinds Bühnenshow ist einfach beste Unterhaltung und wie Deichkind in diesem Interview sagten, ist die Platte eigentlich Werbung für die Liveshow. Für alle Mittdreißiger, die mit Hip-Hop groß geworden sind, aber nicht mehr auf Konzerte gehen, da das Durchschnittsalter dort oft unter 20 Jahren liegt, ist Deichkind genau das Richtige. Für alle Anderen gilt das natürlich auch. Im Publikum waren daher von 20 bis 40 Jahren alle Altersgruppen vertreten. Wer hingegen seine wilde Jugend verleugnet oder keine hatte, sollte lieber einen großen Bogen um Deichkind machen.
USt.i

Zuschauer: ca. 1400
Spieldauer: knapp 2 Stunden

Heimatseite von Deichkind
Heimatseite des ZMF



01.07.2009:
Mario Barth für Intelektuelle oder lieber Berner Kult?
Helge Schneider und Patent Ochsner auf dem ZMF

ZMF Eine der wenigen Tage, an denen es wirklich schwer fiel, sich zwischen einem der Konzerte auf dem ZMF zu entscheiden. Im Zirkuszelt kam Helge Schneider zum Einsatz und im Spiegelzelt spielte die Schweizer Kultband Patent Ochsner auf.
Doch The Bishop fällte diese Entscheidung auf die ihm eigene Weise: "Ich will sehen, ob er wirklich so scheisse ist, Patent Ochsner hab' ich ja nun schon oft gesehen" - womit dann auch die Entscheidung für den zweiten Redakteur klar war. Wenn The Bishop mal wieder da hin gehen will, wo's weh tut, dann hör ich mir eben Patent Ochsner an - obwohl der letzte Besuch auch erst drei Monate her ist.

Um 20.15 Uhr betraten die Musiker von Helge Schneider die Bühne, gefolgt vom "Meister" selbst. Um es kurz zu machen; ein durch und durch bizarres Erlebnis. Das Zirkuszelt schien mit dem "Helge is God Fanclub" besetzt zu sein, kollektives Ausrasten war angesagt.
Schneider begann mit einer langatmigen Einleitung, sein Nuscheln und die zu leise Anlage machten ihn schwer verständlich. War er zu verstehen, lag ihm sein Publikum zu Füssen. "Wenn es draussen heiss ist sollte man heissen Tee trinken, weil dann denkt der Körper: Huh, ist das kalt", oder platte Witze über das Alter der Bandmitglieder brachten die Stimmung jeweils steil nach oben. Ich war umringt von Glücksseeligen. Vorsichtig blickte ich nach links und rechts, aber die Leute sahen eigentlich völlig normal aus. "Nun gut, er ist ja ein grossartiger Musiker, das wird schon", dachte ich. Und prompt spielte Schneider als ersten Song den 'Telefonmann'. "Jetzt wird alles gut", dachte ich für einen Moment, dann machte Helge Schneider einen Stolperer wie der Dumme August im Zirkus und die Musik war für Sekunden nicht mehr zu hören, bis das Publikum aufhörte, sich auf die Schenkel zu klopfen.


(c) The Bishop

Obwohl für das Umland "Starkregen, Sturm und Hagel" angesagt war, blieb das ZMF davon völlig verschont - eigentlich ungewöhnlich, ist doch die Regel, dass es während dem ZMF zu Regnen hat.
Beizeiten auf dem Festivalgelände höre ich noch Helges Telefonmann-Auftakt von Außen und bereue schon etwas, die Konzertverteilung so akzeptiert zu haben. Patent Ochsners Start ist eine Stunde später terminiert und so hirbelt man noch etwas über das Festivalgelände, in der Hoffnung das frisch angetraute Weib von The Bishop noch zu treffen, was auch gelingt. Kurz vor 21 Uhr dann ins praktisch volle Zelt eingerückt kommt auch schon Festivalpräsident Alex Heisler zur Ansage auf die Bühne und sagt mit vielen Worten nichts, nicht einmal den Hinweis "als Arzt" auf das Nichtrauchgebot im Zelt bekommt man zu hören.

Helge Schneider ist ein Phänomen. Ich kam mir vor wie zu Gast bei einer Sekte deren Riten ich nicht verstehe. Helge Schneider spielte ein wunderbares, spanisch angehauchtes, Stück auf der Gitarre, die Band begleitete ihn wunderbar, dann verspielte er sich absichtlich, das Zelt stand Kopf. "Ich muss hier raus", dachte ich und war dankbar, dass eine Pause angekündigt war. In dieser verließ ich dann das Zelt.
Ich kenne ein paar eingefleischte Schneider-Fans. Da diese sich alle für Intelektuelle halten, bin ich eventuell schlichtweg zu blöde für den Humor des Helge Schneider. Von meinem bescheidenen IQ aus betrachtet muss ich sagen: Dieser Mann ist definitiv nicht komisch. Komisch ist sein Publikum.




Mit der üblichen Bierzeltmusik eröffneten die "Ochsen" das Konzert und man kam langsam aber sicher in Schwung und wippte in der letzten Reihe mit. Immer im Hinterkopf die Frage, warum Ochsner überhaupt in Deutschland spielt, hatte Büne Huber das doch eigentlich in einem Interview für die Zukunft ausgeschlossen, weil er darauf keinen Bock mehr hatte. Ob das Zelt nicht hauptsächlich mit Schweizern gefüllt war, war indes nicht mehr herauszubekommen, denn nach rund 20 Minuten, "Ludmilla" war eben verklungen, hörte ich ein kleines Fauch-Miau von hinten…

Nachdem ich es geschafft hatte, das umzäunte Zirkuszeltareal zu verlassen hörte ich vertraute Töne aus der Ferne. "Ludmilla" von Patent Ochsner, welch eine Wohltat. Als ich mich dem Spiegelzelt näherte, sah ich den Kollegen nahe am Ausgang stehen. Er hörte mein schüchternes "Huhu" und es bedurfte nicht vieler Worte und wir hatten die Veranstaltungen getauscht.

Ich wechselte also ins vollbesetzte Zirkuszelt, um mir den zweiten Teil Schneider anzuhören. Und Schneider war denn auch wie vom Kollegen beklagt: Die Ansagen nerven, aber wenn er musiziert…". Oder, um es etwas ausführlicher zu beschreiben: der ein oder andere Lacher war ja schon dabei, aber die Schneider-Zeiten sind wahrscheinlich einfach vorbei. Und es ist wohl das, was der Kollege meinte: Mit einem halben Satz einer Lindenberg-Parodie bringt Schneider den Saal zum Toben - unverständlich, oder man hätte vielleicht auch einfach den ersten Teil sehen müssen. Doch unbestreitbar ist er einfach zu langatmig und spielt zu wenig Musik, die er doch so virtuos beherrscht. Zur überraschung des Autors sitzt Pete York am Schlagzeug, der dereinst auch für die Spencer Davis Group trommelte und einem langjährigen ZMF-Beobachter noch von den "Super-Drumming"-Abenden im Zirkuszelt im Gedächtnis ist. York gibt ein gefühlte zehn Minuten langes Schlagzeugsolo, das es in sich hatte.

Für mich war es die beste Entscheidung seit langem. [der Mann ist seit zwei Wochen verheiratet - the Säzzeress] Patent Ochsner hatten einen Sahnetag erwischt. ''Die Neue'': Daniela Bertschinger mal mit Posaune.Büne Huber sang mit einem Pathos, dass einem mehr als einmal Gänsehaut bescherte, Daniela Bertschinger, neues Bandmitglied, spielte Posaunne und veredelte mit ihrer Geige so manchen Song, Monic Mathys groovte auf ihrem Bass und vor allem Disu Gmünder an der Stromgitarre spielte, als wäre es sein letztes Mal. Ich hatte den Eindruck, die Band selber hatte viel Spaß, die Musiker feuerten sich gegenseitig an. War es der Hitze im Zelt, der engen Bühne oder der guten Schwarzwaldluft geschuldet, dass Patent Ochsner ihr "Auswärtsspiel" derart souverän gestalteten?
Drei Zugebanblöcke spendierten die Ochsen ihrem begeisterten Publikum, wobei vor allem das unverwüstliche "W.Nuss vo Bümplitz" hervorstach. Wahnsinn was für eine Dynamik die Geige von Daniela Bertschinger dem Song verlieh. Patent Ochsner haben sich am Mittwoch in Freiburg viele neue Freunde gemacht. "The band was all together", sang David Bowie einstmals. Patent Ochsner war es auch.


Gegen Ende gibt sich und Schneider noch der Klarinettenvirtuose Perry Robinson auf Schhneiders Bühne die Ehre und Helge und Perry liefern sich ein ungleiches Duell mit Klarinette auf der einen und dem Tenorsaxophon auf der anderen Seite. Robinson scheint irgendwie zum ZMF-Inventar zu gehören, gab er doch auch schon vor zwei Jahren bei den 17 Hippies ein Stelldichein.
Die Zugabe bestreitet Pete York dann am Gesangsmikrofon und liegt mit jedem Ton so exakt daneben, wie er den Rhythmus bei seinem vorhergeheneden Solo exakt gehalten hatte. "I Did it my way" - Sinatra sang dann doch irgendwie besser.
TheBishop/jh

Helge Schneider:
Zuschauer: 2000 (ausverkauft)
Spieldauer: gute 2 Stunden
Patent Ochsner:
Zuschauer: 650 (fast ausverkauft)
Spieldauer: knappe 2 Stunden

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Hureschön gsi - Patent Ochsner im März in Basel



29.06.2009, ZMF:
"Badenova beutet Praktikantinnen aus"
Florian Schroeder im Spiegelzelt

ZMF Der Running-Gag in Köln: "Noch auf einen Absacker in die Südstadt - den habe ich letztens in Düsseldorf gehört" plaudert Florian Schroeder auf der Bühne des Spiegelzelts auf dem Freiburger ZMF, das bis auf den letzten Sitz besetzt ist - mitunter höchst prominent. Kann man die Anwesenheit von OB Salomon noch als Vorwahlkampf abtun, auch wenn es sich Festivalpräsident Alex Heisler nicht nehmen lässt bei der Begrüßung sich artig beim OB und seiner Frau für die Unterstützung zu bedanken, die - zumindest kommt es bei Heislers Ansage so rüber - schlicht darin besteht, dass die beiden anwesend sind; so ist es für den geneigten Beobachter eine echte überraschung, dass der Präsident des doppelt erstklassigen Fußballvereins SC Freiburg bereits eine halbe Stunde vor Vorstellungsbeginn wartend auf einem Bänkchen vor dem Zelt sitzt und - wie man es gewohnt ist - einen Zigarillo raucht. Achim Stocker gibt sich bzw. Schroeder also die Ehre und nimmt - Bescheiden wie er ist - erst mal in der letzten Reihe Platz, bis ihn Heisler kurz vor Beginn der Vorstellung in eine der Logenplätze weiter vorne lotst.
Lustlos auf langes Anstehen warteten wir wie Stocker, bis sich die lange Schlange der um Einlass suchenden aufgelöst hat. Und siehe da, beim Betreten des Zeltes ist das komplette Viertel vorne rechts noch frei. Doch bei genauerem Hinsehen sind alle Sitze für die Badenova reserviert - Betriebsausflug? Sponsorentreff? Man weiß es nicht genau und nimmt eben einen der hinteren noch freien Plätze ein.

Der Künstler parkt praktisch direkt vor dem Zelt.
Der Künstler parkt praktisch direkt vor dem Zelt.

Schroeder legt los und handelt erst einmal das aktuelle Geschehen ab. Michael Jackson, der Bildungsstreik - bei dem er die Gelegenheit nutzt, darüber zu lamentieren, dass die Rektoratsbesetzung der hiesigen Uni, an der er einst teilnahm, ein Flop war, weil der Rektor sich weigerte, das Gebäude räumen zu lassen - die SPD und die Finanzkrise. Plötzlich sei Ackermann für die Verstaatlichung von Banken, was so paradox ist, als ob sich Claudia Roth ein eigenes AKW in den Vorgarten stellen wolle. Wirtschaftsminister von und zu Guttenberg wird als zukünftiger Unternehmensberater eingeführt, er muss nur schnell aus dem Amt, sonst hat er zu viel Erfahrung und ist dann für den Job überqualifiziert. Die überflüssigste Berufsgruppe der Welt seien die Unternehmensberater - Schroeder tituliert sie trefflichst als "Power-Point-Prekariat".
Schroeder stellt immer wieder und manchmal scheinbar spontan unter Beweis, was für ein hervorragender Parodist er ist. Westerwelle, Genscher, Boris Becker, Gerhard Schröder, Reinhold Beckmann, von und zu Guttenberg, Steinmeier ("bester Schröder-Immitator"), Horst Köhler, Günter Oettinger ("heißester Anwärter auf den Titel Germanys Next Stoiber"), Podolski, Michel Glos, Stoiber, Pofalla, Rüttgers, Angela Merkel ("die Perle der Uckermark") Ottfried Fischer, Marcel Reich-Ranicki, Dieter Nuhr, Matthias Richling, Jochen Busse, Wilfried Schmickler und zieht als Wolfgang Schäuble gegen den "internationalen Demokratismus" zu Felde.
Und der Lörracher Schroeder weiss, was er seinem badischen Publikum in Freiburg schuldig ist, als er über Letztens gab es in Schwaben Lügen in Gläsern. Hier in Freiburg einen Weißherbst ausm Stühlinger - äh Kaiserstuhl. einen Wein herzieht, den er letztens bei einem Auftritt in Schwaben bekommen hat: Trollinger im Glas mit dem Aufdruck "bester Trollinger der Region" - "ich nenne es Lügen in Gläsern'".
Eindringlich bittet er das Publikum im zweiten Teil seines Programms, die Vokabel "Elter" in den Wortschatz aufzunehmen "der Singular von Eltern, oder für die Grundschullehrerinnen im Publikum: die Einzahl". Nicht zu Vergessen, die weibliche Form: Elterin. Für einen, dessen Programm "Du willst es doch auch" heißt und im auf den Plakaten nicht aufgedruckten Untertitel "Nach der Hochzeit ist vor der Scheidung" die logische Konsequenz daraus, dass jede zweite Ehe in Deutschland geschieden wird und es zukünftig wohl hauptsächlich Elter bzw. Elterin geben wird.
Und auch der scheinbare Hauptsponsor des Abends bekommt zufällig sein Fett weg. Als Schroeder im Publikum nach einem "Opfer" für einen Psychotest auf der Bühne sucht, gerät er an eine 28-jährige Praktikantin der Badenova. Seine Frage nach dem Gehalt wird mit "das ist ein Geheimnis" beantwortet. Schroeder schlussfolgert: "also nichts" und prangert die Badenova an: "Badenova beutet Praktikantin aus".
Mit einer finalen Predigt gegen die Ehe: "Heiratet, damit ihr Euch scheiden lassen könnt", beendet Schroeder sein Programm nach rund zwei Stunden und hat damit wohl nicht die in den USA bei Stand-Up-Comedy erforderliche Lacher pro Minuten-Quote erreicht, aber da wo nicht gelacht wurde, wird wohl auch heute noch darüber nachgedacht.
jh

Zuschauer: 400 (ausverkauft)
Spieldauer: rund 2 Stunden

Heimatseite von Florian Schroeder
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Beobachtungen hinter den Kulissen von Florian Schroeder



27.06.2009, ZMF, Zirkuszelt:
Die weiße Soul Sister
Joss Stone und Band spielt auf dem ZMF auf

ZMF Ein weißer Engel spielte heute im Zirkuszelt auf. Direkt, ganz ohne Vorgruppe und leider auch ganz ohne Fotografin: Denn diese sagte kurzfristig einfach ab. So ist es leider, wenn der eigentliche Fotograf aus der Stammbesetzung nun in fernen Landen wohnt. Ein adäquater Ersatz ist noch nicht gefunden. So ging es alleine und mit hobbyqualitativer Kamera ins Konzert. Auch der vorangegangene Versuch einen kurzfristigen Ersatz in der Abteilung Fotograf zur erreichen blieb leider erfolglos.

Augen zu und süßer Soul.So ging es denn eben doch allein und abgehetzt auf das Soul-Konzert. So sei doch ein Soul-Konzert die richtige Umgebung um verflossene Fotografen nachzuhängen und sich auf neue Fotografen zu freuen. Aber nichts soll ja unversucht bleiben, auch wenn es sich bis zur letzten Minute erstreckt.
So gab es sich dann auch dass der gefürchtete Fußweg vom Parkplatz zum ZMF Gelände schon mit dem ersten Lied von der britische Soul-Sängerin Joss Stone süßlich verkürzt wurde. Entgegen dem ursprünglichen Plan rockerhaft mit dem Motorrad vor dem Zirkuszelt zu parken entschied sich der Autor zum regensicheren Kombi. Inklusive Schlammschlacht, durchdrehenden Reifen auf dem Parkplatz. Obwohl es schon auf der Herfahrt von Karlsruhe sintflutartige Schauer gab, blieb das ZMF doch am Abend von jeder Flüssigkeit von oben verschont.

Es gab noch ein paar Karten vor dem Eintritt, aber dennoch war im Zelt die Luft zum schneiden warm. Viele Menschen im Zelt. Ein willkommener Eintritt zu einem der doch selteneren Konzerte der Dame im deutschen Lande. Das letzte wurde wohl 2007 in Mannheim in gleicher Besetzung gehalten. Und war auch heute ihre Mission dem deutschen Publikum einen kleinen Funken ihres Souls mitzugeben. In längerem Unterricht gab Joss Stone eine "Ahahaaha" dem Publikum so lange zur Aufgabe, bis es der Sängerin Meinung genügend Emotion inne hatte. Lieder aus allen drei veröffentlichten Alben rundeten den Abend in bekannter Souligkeit ab. Auch gab es Stücke vom zurück gehaltenen vierten Album. Reiht sich doch Joss Stone in die Reihe der Sänger ein, welche unterschiedlicher Meinung mit ihrem Plattenlabel sind. Erst jüngst bekundet sie im Interview mit der Badischen Zeitung, dass sie gerne das Label verlassen würde. Ein begeistertes Publikum - eine Band in guter Laune - alle Elemente von einem gelungen Konzert waren an diesem Abend anwesend. Von der tränen treibenden Balladen bis zu Bein schwingenden Songs war es alles dabei. Und die Stimme von Joss Stone gab allem seinen entscheidenden Anstrich.

Dreimal schwarz-weiße Stimmgewalt.Nach dem Konzert gab es noch vor dem Zirkuszelt ein nettes Ständchen des wirklich guten Dreier-Backgroundchors. Bemerkenswert ist aber auch, dass während des Konzerts beim schon fast obligatorischen Solo für jeden Musiker der zehnköpfigen Band, auch der schwarze Background Chor nicht ausgenommen wurde. Hat doch manch weiße Stimme nicht zu Unrecht Angst vor der Stimmgewalt manch schwarzer Brust. Ganz das Gegenteil die Röhre Stone. Nachdem sie mit Verzücken die Darbietungen der Musiker angehört hatte, forderte sie jeden "Background-Singer" zum Vordergrund auf. Die ließen sich nicht lange bitten und schmetterten jeder ein Teil eines Gassenhauers ins begeisterte Publikum. Aber auch danach war die Stimme von Joss Stone nach wie vor die Präsenteste auf der ganzen Bühne.
Pretender #1

Zuschauer: ca. 3500
Spieldauer: ca 120 Minuten

Homepage von Joss Stone
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21.05.2009, 20 Uhr, Zürich:
Bluesrock vom Feinsten im Kaufleuten
Joe Bonamassa ist nach drei Jahren zurück im Club

Für viele Fans des blueslastigen Rock ist Joe Bonamassa, der schon im zarten Alter von 12 Jahren an der Seite von B.B. King auftrat, einer der Top Five Gitarristen des Genres. Aussergewöhnliche Wertschätzung geniesst der heute 32-jährige Amerikaner auch unter den Musikerkollegen.
Pünktlich um 20 Uhr betrat Joe Bonamassa mit seinen drei Mitstreitern die Bühne des Kaufleuten. Schon nach wenigen Tönen wurde klar, warum dieser Mann zur Elite der Gitarristen gezählt wird. Der Gesang war, wie bei allen Bluesgitarristen die selber singen, nicht überragend. Das machte Joe Bonamassa aber mit seiner Gitarre locker wett. Mit einer energiegeladenen Mischung aus Akkord- und Solospiel sorgte er sogleich für prächtige Stimmung im ausverkauften Saal.
Bonamassa, der mit seiner neuen Kurzhaarfrisur eher aussieht wie ein Bankangestellter denn wie ein Rockstar, entpuppte sich als sympathischer Zeitgenossen. Er erinnerte an seinen ersten Auftritt im Kaufleuten, als er vor 120 Fans auftrat, zeigte sich dankbar für das nun mit 1200 Menschen ausverkaufte Kaufleuten und gab noch eine Erfahrung beim Klamottenkauf in der Bahnhofstrasse zum Besten, wo er doch tatsächlich von den hohen Preisen überrascht war.
Je länger das Konzert dauerte, desto besser wurde das Zusammenspiel der Band. Leider stieg nicht nur das musikalische Niveau, sondern auch die Temperaturen. Manch einer verliess zwischendurch japsend den Saal um ein wenig abzukühlen.
Joe Bonamassa spielte nicht nur eigenes Material, sondern coverte auch Songs von anderen Künstlern, wobei Eric Clapton diese Ehre gleich zweimal zuteil wurde. Sein wirklich bemerkenswertes Können als Gitarrist demonstrierte er bei einem Solostück auf der akustischen Gitarre. Man sah einen Mann spielen, glaubte aber drei zu hören.
Nach achtzig Minuten verliessen die Musiker die Bühne, kamen aber bald wieder zurück um noch Zugaben zu spielen.
Joe Bonamassa ist ein brillanter Gitarrist, der viele Einflüsse zu einem dichten, blueslastigen Gesamten verwebt. Auf die Frage was er über sich selbst in 50 Jahren gerne lesen würde antwortete Joe Bonamassa unlängst: "Er war der Mann, der dem Blues-Rock die Jugend zurückbrachte." Ob es so kommt wird sich weisen, die Chancen stehen jedenfalls nicht schlecht.
TheBishop

Zuschauer: 1.200 (ausverkauft)

Heimatseite vom Kaufleuten



17.04.2009, 20 Uhr:
Britischer Humor im Volkshaus Zürich
David Byrnes schräger Auftritt

Am Freitagabend gab sich der Schotte David Byrne mit seiner aktuellen Band im Zürcher Volkshaus die Ehre. Kurz nach 20 Uhr betrat der Meister unter stürmischem Applaus die Bühne, richtete ein paar launige Worte an die Fotografen, sowohl an die Profis rechts der Bühne wie auch an die Amateure im Publikum ("ihr könnt alle fotografieren, aber wehe ein Blitz erreicht die Bühne") und teilte dann mit, dass er neben Material auch ältere Stücke "die ich mit anderen Musikern gemacht habe", zu Gehör bringen würde.
In Ehren ergraut: Der 56-jährige David Byrne.Sodann legte der in Ehren ergraute, ehemalige Frontmann der legendären New Wave Band "Talking Heads" los und bot mit seinen zehn MitstreiterInnen eine Show, die im Gedächtnis bleibt. Vier Musiker, drei Chorsänger sowie drei Tänzer, ebenso wie David Byrne ganz in weiss gewandet, boten fast zwei Stunden Sound der Extraklasse, gepaart mit einer originellen, einzigartigen Bühnenshow. Die drei Tänzer (zwei Mädels und ein Mann) führten nämlich zum glasklaren Sound jeweils recht alberne Choreografien auf, in die sie nicht selten, die ganze Band einbezogen. Ein Handlungsstrang war nie zu erkennen, aber ungemein witzig war es.
Mehr als die Hälfte der 20 gespielten Songs waren aus der Zeit der "Talking Heads" und diese Stücke brachten jeweils die Stimmung zum überschwappen. Alleine acht Songs von den beiden LP-Meilensteinen "Remain In Light" (1983) und "Fear Of Music" (1984) hatte David Byrne im Repertoire. Waren diese Stücke damals ihrer Zeit voraus, mit ihrer Mischung aus funky Gitarren und afrikanischen Trommelrhytmen, so klingen sie heute noch immer aktuell und modern.
Das dankbare Publikum war hingerissen, spendete immer wieder Applaus auf offener Szene, Die originale Setlist des Zürcher Konzertes.und ab der Hälfte des Konzertes sass niemand mehr. Es war wie es sein soll, Publikum und Musiker hatten ihren Spass aneinander, besser geht's fast nicht. Nach 15 Songs verabschiedete sich die Band, kam aber zu insgesamt drei Zugaben zurück. Eine geniale Version von Al Greens "Take Me To The River" machte den Anfang, der Megahit "Burning Down The House" ließ die Stimmung nochmals überschwappen, bevor David Byrne mit "Everything That Happens" einen Absacker anstimmte, der das Ende eines grossartigen Konzertes einläutete. "War voll de Hammer", sprach beim Verlassen des Saals einer in sein Handy. Und dem möchte ich nichts hinzufügen.
TheBishop

Die Band bestand aus:
David Byrne, vocals/guitar - Mark Degli Antoni, keyboards - Paul Frazier, bass - Mauro Refosco, percussion - Graham Hawthorne, drums - dancers: Lily Baldwin, Natalie Kuhn, Steven Reker - BG Vox: Kaissa, Redray Frazier, Jenni Muldaur



08.04.2009, 20.00 Uhr, Kaufleuten, Zürich:
Funky Konzert der Earth Wind & Fire Experience
Das Dorfgeschwätz erstmals zu Gast im Kaufleuten

Am Mittwoch, dem 8.4.2009 gab sich Al McKay mit seiner Band Earth Wind & Fire Experience im Kaufleuten die Ehre. Von 1973 bis 1981 war er als Gitarrist festes Mitglied der Funk Band Earth Wind & Fire. Außerdem zeichnete er sich zusammen mit Gründungsmitglied Maurice White als Komponist zahlreicher Hits aus.

Line Up.

Al McKay, der fast das ganze Konzert über wohltuend im Hintergrund blieb, hat eine Riege hochkarätiger Studiomusiker um sich versammelt, die offensichtlich mit viel Spaß den Discosound der siebziger und achtziger Jahre am Leben erhalten. Natürlich kann man das kongeniale Duo der Originalbesetzung, Maurice White (Schlagzeug) und Verdine White (Bass) nicht gleichwertig ersetzen, aber Aaron Haggerty und James Strong sorgten für ein solides Rhytmusfundament. Die drei Sänger waren sehr nahe an den Originalen; vor allem der Falsett Gesang von Philip Bailey wurde sehr gut getroffen. Wenn auch die Bläsersection nicht ansatzweise das Niveau der legendären "Phoenix Horns" erreichte, so stand eine hochprofesionelle Truppe auf der Bühne, die ihr Publikum im Sturm eroberte.

Al McKay, einziges
Al McKay, einziges "wahres Ex-Mitglied" von Earth, Wind Fire auf der Bühne.

Von Anfang an war die Stimmung Bestens, die Anwesenden waren bereit, eine Party zu feiern. Euphorisch wurden Hits wie "September", "Singasong", "Love Is Holiday" oder das unverwüstliche "Fantasy" beklatscht, nicht wenige im Saal erinnerten sich offensichtlich an längst vergessen geglaubte Disco-Tanzschritte. Die Temperatur im Kaufleuten stieg unaufhörlich. Nach einer Stunde nahmen Al McKay und seine Jungs ein wenig Tempo raus, Slow Songs wie "After The Love Has Gone" waren nun an der Reihe. Bevor die Stimmung abkühlen konnte, trat The Earth Wind & Fire Experience wieder aufs Gaspedal, und die Begeisterung war sofort wieder da. Nach 90 Minuten verließ die Band die Bühne.
Das Publikum wollte mehr hören und bekam noch einen zwanzigminütigen Nachschlag, bei dem Al McKay die einzelnen Bandmitglieder ausführlich vorstellte und jedem Gelegenheit für eine kleine Soloeinlage gab. Danach gingen die Saalichter an. Die Musiker ließen es sich nicht nehmen direkt nach ihrem Auftritt Autogramme zu schreiben und Andenken zu signieren. The Earth Wind & Fire Experience mögen "nur" eine Coverband sein, aber eine saugute. In Zürich boten sie jedenfalls 110 Minuten funky Music der Extraklasse und hinterließen ein rundum zufriedenes Publikum.
TheBishop

Spieldauer: 110 Minuten

Kaufleuten Zürich



30.03.2009, Z7, Pratteln:
Popa Chubby hat den Blues
Spitzenkonzert hätte mehr Publikum verdient

Der schwergewichtige Gitarrist, Songwriter und Sänger Popa Chubby gab sich am Montagabend im, leider nur hab vollen, Z7 die Ehre. Diejenigen die gekommen waren bereuten es nicht, sie erlebten zwei Stunden "Heavy Blues Rock", der vor Kraft nur so strotzte.
Popa Chubby, mit bürgerlichem Namen Ted Horowitz eroberte sein Er will nur spielen: Popa Chubby.Publikum im Sturm. Nach einem kurzen Anschiss an den Tontechniker, verbunden mit der klaren Ansage, nicht mehr an den Knöpfen zu drehen, widmete sich Popa seiner eigentlichen Aufgabe und jagte einen rauen Song nach dem anderen in die Halle. Das Publikum; wohl zu 95% aus Männern bestehend, ging voll mit und hatte seinen Spass mit dem massigen Musiker, an dem seine Stratocaster wirkte, wie eine Kindergitarre.
Das Programm bestand aus eigenen Songs sowie Coverversionen, die allerdings zum Teil genial verfremdet daherkamen. So brauchten die Fans eine zeitlang, bis sie "Walk On The Wild Side" von Lou Reed identifizierten. Popa Chubby überzeugte nicht nur durch sein brachiales Gitarrenspiel, sondern auch durch seinen einfühlsamen Gesang. Allerdings wurde er auch prächtig unterstützt von A. J. Pappas am Bass und Du Jour an den Drums. Vor allem letzterer spielte exakt wie ein Metronom, so dass Popa Chubby nach seinen Soloausflügen immer wieder in den Song zurückfand.

Man kümmert sich ums Publikum. Service im Z7.
Man kümmert sich ums Publikum. Service im Z7.

Die erste Stunde absolvierte der Koloss aus New York im Stehen, dann lies er sich einen Stuhl bringen. Seinem rauen Gitarrenspiel tat das keinen Abbruch. Die Zeit verging wie im Flug, das Tempo lies nicht nach. Popa gönnte seinen Mitstreitern auch noch Raum für zwei Soli, den beide weidlich nutzten, um ihre Extraklasse zu demonstrieren. Danach zelebrierten die drei noch eine atemlose Version von Motörheads "Ace Of Spades"; Popa Cubby sagte "Good Bye", das Licht ging an und ein grossartiges Konzert war zu Ende. Beim nächsten Gig von Popa Chubby wird das Z7 mit Sicherheit rappelvoll werden. Für allerbeste Mundpropaganda hat die Band selbst gesorgt. It was only Rock'n'Roll, but we like it.
TheBishop

Die Band:
Popa Chubby: Gitarre/Gesang
Du Jour: Drums
A.J. Pappas: Bass

Spieldauer: 120 Minuten

Heimatseite vom Z7



13.03.2009, Burghof Lörrach:
Der Mann hinter Florian Schröder
Beobachtungen hinter den Kulissen

Am Freitag, den 13.03.2009 bespielte der Kabarettist Florian Schröder den Burghof in Lörrach. Alle Augen waren während seines gelungenen Auftrittes auf den Mann im gleissenden Scheinwerferlicht gerichtet. Da wir vom Dorfgeschwätz etwas anders sind, haben wir für einmal dem Mann im Hintergrund auf die Finger geschaut; dem Techniker und "Mädchen für Alles"; Mario Melle.
Ich traf Mario um 17 Uhr im grossen Saal des Lörracher Burghofs um ihm bei seiner Arbeit zu beobachten. Zuallererst wurden die Requisiten auf der Bühne positioniert. Flipchart, Bürostuhl und Bistrotisch reichen beim aktuellen Programm von Florian Schröder. Danach wurde das Bühnenlicht eingestellt. Mit präzisen Anweisungen dirigierte Mario den Beleuchter des Burghofes, bis die Richtung der Spots, die "Wärme" des Lichts, sowie die Farben der Hintergrundbeleuchtung so waren, wie im Vorfeld der Tournee in Zusammenarbeit mit einem Regisseur erarbeitet.

Der Arbeitsplatz des Mario Melle.
Der Arbeitsplatz des Mario Melle.

Mario war erst zufrieden, als kein Lichtstrahl mehr die Bühnenkante zum Zuschauerraum traf und kein Lautsprecherschatten mehr auf dem Bühnenboden zu sehen war. Im Anschluss wurden die verschiedenen Einstellungen gespeichert, so dass sie während der Show per Knopfdruck abrufbar blieben.
Als nächstes wurde der Ton eingestellt. Dazu nahm Mario am Mischpult Platz, von dem aus sowohl der Sound als auch das Licht "gefahren" wird. Der Cheftechniker des Burghofs setzte sich das Kopfmikro auf, ging auf der Bühne auf und ab und redete so lange Unsinn, bis der Ton so eingestellt war, dass keine störenden Feedback mehr zu hören waren. Genauso wurde mit dem Handmikrophon verfahren.
Kurz nach 19 Uhr erhielt Mario ein SMS von Florian Schröder mit der Anweisung, noch einen Namen auf die Gästeliste setzen zu lassen, danach waren seine Vorbereitungen abgeschlossen. Gegen 19.30 machte er sich auf den Weg, um seinen Chef mit dem Auto abzuholen. Kurz vor 20 Uhr war Mario wieder zurück, drehte noch mal an einigen Knöpfen, löschte das Saallicht, drehte die Hintergrundmusik ab und dann betrat Florian Schröder die Bühne.
Nach einem kleinen Problem mit dem Headset zu Beginn, spulten Künstler und Techniker routiniert ihr Programm ab und unterhielten das Publikum bestens bis zur Pause, in der aber weder Florian Schröder noch Mario Melle wirklich ausruhen konnten. Mario eilte zur Kasse am Eingang um die Gewinner einen Preisausschreibens abzuholen, die sich auf ein so genanntes "Beet ad Grete" mit dem Künstler freuten und führte diese auch wieder aus den Katakomben des Burghofs.
Ein gutes Team: Mario und Florian Schröder nach der Show. Daher wurde das Aufbauen des Merchandising-Standes ausnahmsweise von einer Freundin Marios übernommen, normalerweise fällt das auch in seinen Aufgabenbereich. Auch den zweiten Teil der Show begleitete er routiniert am Mischpults und Laptop, man merkte zu jeder Sekunde seine zwei Jahrzehnte Erfahrung als Ton- und Bühnentechniker. Nach dem grossen Schlussapplaus schaltete Mario das Saallicht wieder ein und packte seinen Computer zusammen. Da Florian Schröder es sich nicht nehmen lässt nach seinen Auftritten seinem Publikum eigenhändig die Andenken an die Show zu verkaufen, warteten wir bis der Ansturm vorbei war.
Danach packte Mario die übrigen Artikel zusammen und ging zu einer letzten Besprechung in die Garderobe. Kurz und bündig sprachen Künstler und Techniker über die nächste Show, verabschiedeten sich und Mario und ich konnten uns zu einem wohlverdienten Glas Weisswein setzen. Wir danken Florian Schröder und Mario Melle herzlich für die Möglichkeit, im wahrsten Sinne des Wortes einen Blick hinter die Kulissen werfen zu können. Das hat wirklich Spass gemacht!
TheBishop

Heimatseite von Florian Schröder



19.03.2009, Volkshaus Basel
Hureschön Gsi
Patent Ochsner im Volkshaus Basel

Seit Ende Oktober 2008 sind Patent Ochsner nach langer Zeit wieder mit einer schweizweiten Tour unterwegs. Mitte März machten sie auch Station in Basel und gaben im Basler Volkshaus gleich zwei Konzerte in Folge. Eine gute Entscheidung, statt einer "großen" Halle den relativ intimen Rahmen des Volkshaus' zu wählen.

Foto: Annika Schowalter/farben-der-welt.de

Wenn man Patent Ochsner nur flüchtig kennt, wähnte man sich Anfangs des Konzerts bei der falschen Veranstaltung: Mit Bierzeltmusik traten die "Ochsen" an und zeigten damit gleich zu Beginn, dass ihr Stil so schwer in eine Schublade zu stecken ist.
Nach dem ersten Stück holte Frontmann Büne Huber zu einer seiner launigen Ansagen aus, einer Anekdote über die 24-jährige Dogge des Nachbars, mit eitrigem Hautabszessen, die er hüten muss, weil der Nachbar einen Workshop in der Toscana besuchen will. Die Fotografin bringt das schier zur Verzweiflung, weil - durchaus einigen Sprachen der Welt mächtig - sie Hubers Berner Dialekt schlicht nicht versteht. Auch dem unweit der Schweizer Grenze aufgewachsenen Autor dieses Textes fällt es schwer, allen Details zu folgen - ob es an der Sprache liegt, oder an der abstrusen Story - es wird für immer ein Rätsel bleiben.

Foto: Annika Schowalter/farben-der-welt.de

Danach folgt eine schöne Mischung aus alten und neuen Stücken, aus rockigen Parts und den eher ruhigen Balladen, die bei Patent Ochsner ebenso wenig im Repertoire fehlen, wie die Bierzeltmusik eingangs des Konzerts. Spätestens als mit "Ludmilla" nach rund einer halben Stunde ein erster "Hit" angestimmt wird, fängt der Saal endgültig an zu kochen und die Stimmung lässt bis zum Ende nicht mehr nach.

Foto: Annika Schowalter/farben-der-welt.de

Der Sound im gut gefüllten Volkshaus kann getrost als "amtlich" bezeichnet werden. "Die Hallen heißen Hallen, weil sie hallen" hat der Kopf einer anderen Mundartband Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts bei einem Konzert im deutschen Freiburg einmal zum Besten gegeben. In Basel ist das anders, so wie es profane "Zugabe"-Rufe in der Schweiz scheinbar auch nicht gibt. Stattdessen werden einfach die zwingend vorgeschriebenen und noch fehlenden Lieder angestimmt. Und Patent Ochsner lassen sich Zeit und erhöhen die Spannung ins schier unermessliche, bis sie mit ihrem "Top-Hit" W. Nuss vo Bümpliz aufwarten. Und sie machen daraus eine XXL-Version, an der die Musiker ebenso viel Spaß haben, wie schon das ganze Konzert über auch auf der Bühne eine gute Stimmung herrscht.
Zum Abschluss meint Herr Huber: "'hureschön gsi, merci". Der Dorfgeschwätz-Redakteur Huber sagt dazu: "Dankschönglichfalls, bis zum nächste mol."
jh/Fotos: Annika Schowalter

Spieldauer: 2h15 (handgestoppt)

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