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  Archiv · Nr. 3 · 1. Jhg. · 20. Mai 1998

Archiv / Ausgabe 3 / Wahl in S.-A.

Kommentar zur Wahl
Braune Protestwahl

Nach dem beängstigenden Erfolg der DVU in Sachsen-Anhalt (s.o.) gab es dafür viele wohlfeile Erklärungen.
Die Beruhigenste ist noch, daß es ein vorübergehendes Phänomen sei und wenn man die Landtagsabgeordneten der DVU so anschaue, dann hätte sich das Problem in vier Jahren schon wieder erledigt.
Weit gefehlt! In Baden-Württemberg sind die Republikaner bei der letzten Wahl fast stabil geblieben. Warum sollte das in Sachsen-Anhalt nicht der Fall sein? Es ist einfach nicht damit getan, darauf hinzuweisen, daß die parlamentarische Arbeit der Rechten zumeist sehr dilettantisch ist. Da muß schon etwas mehr getan werden. Ein Weg wäre möglicherweise, den Menschen, insbesondere im Osten, keine leeren Versprechungen mehr zu machen, die dann nicht gehalten werden können. Mal ehrlich, wer in Westdeutschland hat Kohl 1990 seine Sprüche von den blühenden Landschaften und der Finanzierung der Einheit ohne Steuererhöhungen geglaubt? Im Osten war das anders, da hatte man noch Vertrauen zum dicken, den westlichen Wohlstand verkörpernden Kanzler.
Acht Jahre später wird die CDU dafür abgestraft und braune Stimmenfänger schaffen es, mit dumpfen Sprüchen eine ganze Generation Nazis heranzuziehen.
Die CSU meint nun, mit rechten Parolen im Bundestagswahlkampf die Stimmen aus dem braunen Sumpf für sich zu gewinnen.
Auch das dürfte sich als Holzweg erweisen. Haben wir es nicht in Baden-Württemberg erlebt, als der SPD-Spitzenkandidat Dieter Spöri kurz vor der Wahl plötzlich ausländerfeindliche Parolen angeschlagen hat? Im Kopf der Rep-WählerInnen kam das schon an, nur traute man der SPD da keine „Problem"lösungs-kompetenz zu. Da wählte man doch lieber gleich das Original.
„Diesmal Protest wählen" plakatierte die DVU in Sachsen-Anhalt. Und das heißt: Wir sind nicht böse Nazis, wir verkörpern den Protest. Zur Erinnerung: Ein Nazi ist nicht, wer einen eckigen Oberlippenbart hat und das NSDAP-Parteiprogramm auswendig kann. Ein Nazi ist, wer keine Haare hat (optional) und Afrodeutsche verprügelt. Ein Nazi ist, wer Nazis wie Gerhard Frey oder seine Marionetten in Sachsen-Anhalt (oder anderswo) wählt. Das zentrale Anliegen der Rechten ist nicht die soziale Frage, wie sie vorgeben, sondern Rassismus und Antisemitismus.
Es kann also in der Politik nicht heißen: „Weiter so", sondern das Problem des rechten Wahlerfolgs kann nur damit gelöst werden, endlich Arbeitsplätze zu schaffen, keinen Sozialabbau zu betreiben, die Menschen nicht alleine zu lassen., sondern vielmehr das Gefühl der gesellschaftlichen Solidarität stärken. Aber die wollen sich einige in diesem Land nicht mehr leisten.

Fragen über Fragen

Warum die Regierung nicht mit der Toleranz der PDS bilden? Warum wird immer wieder die PDS für alles, was in der DDR zweifellos schlecht war verantwortlich gemacht? Wäre eine „Rote-Socken-Kampagne" im Westen für die CDU erfolgversprechend? Die PDS ist beinahe nur noch eine sozialdemokratische Partei, Ostausgabe. Warum koaliert die CDU in Bremen, Berlin, Meck-Pomm und Thüringen mit der SPD? Oder, umgekehrt gefragt, warum koaliert die SPD mit der CDU, die aus der Zentrumspartei hervorgegangen ist und 1933 dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hat? Ist die CDU im Osten nicht eine alte Blockpartei, die das Regime ebenso gestützt hat, wie die SED?
Betrug am anhaltinischen Wahlvolk wäre es gewesen, die abgestrafte CDU in die Regierung zu holen, allen bundespolitischen überlegungen zum Trotz. Wären Sie, liebe LeserInnen, von einer PDS geduldeten SPD-Landesregierung geschockt?

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